Gesetzestext
(1) Hat jemand zum Betrieb einer Fabrik, einer Handlung oder eines anderen Gewerbes eine Niederlassung, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, so können gegen ihn alle Klagen, die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gericht des Ortes erhoben werden, wo die Niederlassung sich befindet.
(2) Der Gerichtsstand der Niederlassung ist auch für Klagen gegen Personen begründet, die ein mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehenes Gut als Eigentümer, Nutznießer oder Pächter bewirtschaften, soweit diese Klagen die auf die Bewirtschaftung des Gutes sich beziehenden Rechtsverhältnisse betreffen.
A. Normzweck und dogmatische Einordnung.
Rn 1
§ 21 soll die Rechtsverfolgungsmöglichkeiten des Kl dadurch effektuieren, dass er gegen seinen Geschäftspartner dort vorgehen kann, wo dieser mit ihm von einer dafür vorgehaltenen eigenständigen Organisationseinheit aus Geschäfte gemacht hat (Hambg WuM 90, 394, 395). Dabei soll der Kl der Mühe enthoben werden, Ermittlungen zum Sitz bzw Wohnsitz des Bekl anstellen zu müssen, während der Bekl, der mittels Niederlassung an einem Ort Geschäfte tätigt, als Ausgleich für die mit der Aufgabendelegation und der Präsenz in der Fläche verbundenen Vorteile die hiermit verbundene Last des dortigen Gerichtsstandes tragen muss (St/J/Roth § 21 Rz 1; BGH NJW 11, 2056 [BGH 18.01.2011 - X ZR 71/10]).
B. Tatbestandsmerkmale des Abs 1.
I. Beklagte Person.
Rn 2
Beklagte Person kann, sofern die Niederlassung nicht ihrerseits parteifähig ist (vgl St/J/Roth § 21 Rz 9 Fn 27), nur der Inhaber der Niederlassung sein, wobei dieser natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft sein kann. Der Bekl kann Inländer wie Ausländer sein oder seinen Wohnsitz bzw Sitz im Ausland haben. Denn § 21 regelt nicht nur die örtliche Zuständigkeit, sondern begründet als doppelfunktionelle Vorschrift bei Fällen mit Auslandsberührung auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (BGH NJW 87, 3081, 3082; Frankf DB 03, 41) vorbehaltlich des Eingreifens speziellerer international-prozessrechtlicher Normen. Im Anwendungsbereich der EuGVVO wird § 21 durch Art 5 Nr 5 EuGVVO (= Art 7 Nr 5 EuGVVO in der seit dem 10.1.15 geltenden Fassung) als anwendungsvorrangiger Norm verdrängt (ArbG Karlsruhe 12.2.07 – 11 Ca 250/06 – www.jum.baden-wuerttemberg.de).
II. Niederlassung.
Rn 3
Eine Niederlassung iSd § 21 erfordert eine vom Bekl errichtete, auf seinen Namen und Rechnung betriebene Geschäftseinrichtung, deren Leitung das Recht hat, aus eigener Entscheidung ihr übertragene Geschäfte abzuschließen und die sich dadurch von einer Agentur zur Entgegennahme und Übermittlung von Vertragsofferten unterscheidet (BGH NJW 87, 3081, 3082 [BGH 13.07.1987 - II ZR 188/86]). Jedes dieser Definitionsmerkmale muss entweder tatsächlich oder auf Grund eines vom Bekl gesetzten äußeren Rechtsscheins vorliegen (BayObLG Beschl v 20.3.19 – 1 AR 6/19, Rz 10 – juris; BGH NJW 11, 2056 [BGH 18.01.2011 - X ZR 71/10]; Saarbr OLGR 04, 137; Hamm Beschl v 18.2.19 – 32 SA 9/19, Rz 26 – juris).
Rn 4
Die Niederlassung muss nach der vorgenannten, von der Rspr entwickelten Definition vom Inhaber errichtet worden sein, wobei es insoweit nur auf den äußeren Anschein ankommt (BayObLG Beschl v 20.3.19 – 1 AR 6/19, Rz 10 – juris; St/J/Roth § 21 Rz 11). Eine Niederlassung erfordert ferner im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 253 I) bestehende und bestimmungsgemäß genutzte, zur Entfaltung gewerblicher Tätigkeit geeignete, körperlich-gegenständliche (nicht bloß im Internet vorgehaltene: Fricke VersR 01, 925, 933f) Betriebseinrichtungen (wie zB Geschäftslokal; Büroräume) zum Zwecke eines Tätigwerdens von nicht ganz vorübergehender Dauer (München AnwBl 89, 294). Demnach scheiden Messe- oder Marktstände mangels hinreichender Betriebsdauer nach ganz hM als Niederlassung aus (Musielak/Heinrich § 21 Rz 2).
Rn 5
Schwierigkeiten bereitet das Merkmal der Berechtigung zum eigenständigen Geschäftsabschluss. Die Befugnisübertragung darf nicht nur rein formal darin bestehen, von der Geschäftsführung bis ins Detail vorgegebene Entscheidungen mit Außenwirkung zu vollziehen, sondern muss neben der Abschluss- auch die Entschließungszuständigkeit beinhalten (Ddorf NJW-RR 89, 432, 433 [OLG Düsseldorf 26.01.1988 - 4 U 190/87]), die sich in regionaler und/oder inhaltlicher Hinsicht wenigstens auf einen Teilbereich der vom Bekl ausgeübten Geschäftstätigkeit (wie zB bei Zweigstellen oder Filialen von Banken: Geschäftsstellen für das Geschäfts- oder Firmenkundengeschäft) beziehen muss. Dies ist evident bei der Hauptniederlassung eines Unternehmens, bedarf indes bei Zweigniederlassungen stets einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Dabei scheiden gelegentliche oder untergeordnete Geschäfte, die nur der Aufrechterhaltung des eigentlichen Geschäftsbetriebs dienen (wie zB Kauf von Büroutensilien, Einstellung und Entlassung von Arbeitskräften, Aufträge zur Wartung von Betriebsfahrzeugen usw), aus (München OLGR 01, 254; Hamm VersR 09, 1345, 1346; Brandenbg, Beschl v 14.6.16 – 1 [Z] Sa 18/16, Rz 14 – juris). Vielmehr geht es um die eigentliche Geschäftstätigkeit des Unternehm...