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Aus der Formulierung, dass die Klage gegen das Mitglied ›als solches‹ erhoben worden sein muss, folgt, dass es nicht genügt, dass zwischen den Parteien ein Mitgliedschaftsverhältnis bestand oder besteht. Vielmehr muss mit der Klage ein Anspruch verfolgt werden, der sich unmittelbar aus der Mitgliedschaft in der Personenvereinigung und nicht etwa aus einer vom Bestehen eines Gesellschaftsvertrages unabhängigen Rechtsgrundlage (wie zB gesonderter Vertrag, Delikt) ableitet (München ZIP 06, 2402, 2403; Zö/Schultzky § 22 Rz 6). Die streitentscheidende Norm muss demnach gesellschaftsvertraglicher Art sein. Deshalb fallen unter § 22 sowohl Ansprüche aus dem Stadium der Begründung des Gesellschaftsverhältnisses als auch solche aus der Abwicklung desselben (Köln NJW 04, 862), so dass es für das Eingreifen des § 22 nicht darauf ankommt, ob die Mitgliedschaft im Zeitpunkt der Klageerhebung noch besteht, sofern mit der Klage iRd Auseinandersetzung gesellschaftsvertragliche Ansprüche geltend gemacht werden (Köln NJW 04, 862). Ferner spielt es für die Einschlägigkeit des § 22 keine Rolle, ob die (ggf frühere) Mitgliedschaft unstr oder bewiesen ist (MüKoZPO/Patzina § 22 Rz 6; aA AG Ebersberg MDR 87, 146, 147 [AG Ebersberg 27.08.1986 - 1 C 479/86]), da es sich hierbei um eine doppelrelevante Tatsache handelt, deren Vorliegen iRd Zulässigkeitsprüfung fingiert wird. Typische Bsp für unter § 22 fallende Klagen der Gesellschaft gegen Mitglieder sind Klagen auf Zahlung von Beiträgen oder Prämien (BGH NJW 80, 343), auf Rückgewähr verbotener Rückzahlungen (§ 31 GmbHG) oder auf Schadensersatz wegen Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten. Auch bei einem Rechtsstreit um die Wirksamkeit eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen GmbH und beherrschendem Gesellschafter ist der besondere Gerichtsstand des ZPO § 22 gegeben (LG Bochum Urt v 20.5.86 – 12 O 67/86 – juris), ebenso bei Streitigkeiten unter Mitgliedern einer Rechtsanwaltssozietät (GbR) (Köln Beschl v 28.5.03 – 5 W 54/03 – juris). Demgegenüber sind Klagen aus einer unerlaubten Handlung des Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds, auch wenn diese Personen Gesellschaftsmitglieder sind (MK/Patzina Rz 7), aus organschaftlicher Sonderbeziehung (Organhaftung) oder gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter auf Haftung für eine Gesellschaftsschuld gem § 128 HGB (Zö/Schultzky § 22 Rz 6) nicht erfasst. Ebenso wenig greift § 22 ZPO bei der Klage eines Treuhandgesellschafters gegen den Treugeber auf Freistellung von seiner Haftung aus § 128 HGB ggü einem Gesellschaftsgläubiger ein, da der Freistellungsanspruch aus dem Treuhandvertrag folgt und mithin keinen Bezug zu den internen Rechtsbeziehungen der Gesellschaft hat (KG NZG 10, 515). Indes können nach üM Klagen einer Publikumspersonengesellschaft gegen ihre ›Treugeber-Gesellschafter‹ zB auf Zahlung der der Gesellschaft unmittelbar zustehenden Leistung der Einlage § 22 unterfallen, wenn die Treugeber aufgrund der vertraglichen Gestaltung im Innenverhältnis die Stellung unmittelbarer Gesellschafter (Quasi-Gesellschafter) haben bzw haben sollen, wie idR im Fall einer sog offenen oder qualifizierten Treuhand (BayObLG Beschl v 5.3.20 – 1 AR 144/19, NZG 20, 706, Rz 74, 79 mwN – juris; KG, Beschl v 29.5.08 – 2 AR 25/08, WM 08, 1571, Rz 3 – juris; BeckOKZPO/Toussaint § 22 Rz 2; Zö/Schultzky § 22 Rz 5; aA AG München Urt v 28.4.16 – 213 C 31693/15, NZG 16, 1354, Rz 11, 12 – juris; aA m ausführl Begründung Röß MDR 19, 1033; wohl auch ThoPu/Hüßtege § 22 Rz 1). Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft und Bestellung eines Insolvenzverwalters kann dieser im sachlichen Anwendungsbereich des § 22 Klagen gegen Mitglieder der Gesellschaft erheben, etwa bei einer GmbH oder AG auf Zahlung der Stammeinlage (Zö/Schultzky § 22 Rz 6). Die Einfügung des Tatbestandsmerkmals ›Insolvenzverwalter‹ durch das MoMiG hatte insoweit lediglich klarstellenden Charakter, da die Anwendbarkeit des § 22 auf Klagen des Insolvenzverwalters einer Gesellschaft gegen deren Mitglieder (zB auf Erstattung verbotener Rückzahlungen gem § 31 GmbHG) bereits vor dem Inkrafttreten des MoMiG von der Rspr zu Recht anerkannt worden war (München ZIP 06, 2402). Demzufolge ist für die Klage eines Insolvenzverwalters auf Erstattung gem §§ 30, 31 GmbHG (Karlsruhe Beschl v 20.1.98 – 4 W 169/97 – juris) oder Rückgewähr von sog kapitalersetzenden Leistungen gem §§ 39 I Nr 5, 135, 143 InsO (Frankfurt ZIP 15, 841) der besondere Gerichtsstand nach § 22 begründet. Er gilt auch für Anfechtungsklagen des Insolvenzverwalters gegen einen Gesellschafter nach den §§ 143 III 1, 135 II InsO (Frankf NZI 15, 619; Cranshaw jurisPR-InsR 9/2015 Anm. 4). Demgegenüber greift § 22 nicht bei Klagen ein, mit denen der Insolvenzverwalter der Gesellschaft die Haftung des Kommanditisten gem § 171 II HGB geltend macht (LG Hamburg 1.3.17 – 301 O 275/16 – juris, m.zust.Anm. Wozniak, jurisPR-InsR 23/2017 Anm 5; Zö/Schultzky § 22 ZPO Rz 6; zur aF [vor MoMiG]; Schleswi...