Gesetzestext
(1) 1Durch Vereinbarung der Parteien können Fristen, mit Ausnahme der Notfristen, abgekürzt werden. 2Notfristen sind nur diejenigen Fristen, die in diesem Gesetz als solche bezeichnet sind.
(2) Auf Antrag können richterliche und gesetzliche Fristen abgekürzt oder verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind, gesetzliche Fristen jedoch nur in den besonders bestimmten Fällen.
(3) Im Falle der Verlängerung wird die neue Frist von dem Ablauf der vorigen Frist an berechnet, wenn nicht im einzelnen Fall ein anderes bestimmt ist.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Vorschrift regelt die (beschränkten) Möglichkeiten der Fristverlängerung und Fristverkürzung.
I. Fristverlängerung durch Parteivereinbarung.
Rn 2
Die in Abs 1 eröffnete Möglichkeit, dass die Parteien – mit Ausnahme der Notfristen – gesetzliche und richterliche Fristen (durch Prozessvertrag) abkürzen (also nicht: verlängern) können, dürfte kaum praktische Relevanz haben. Notfristen sind nach der gesetzlichen Definition in S 2 nur diejenigen, die ausdrücklich als solche bezeichnet sind, also die Rechtsmittelfristen (Berufung, Revision, sofortige Beschwerde, Rechtsbeschwerde, Einspruch gegen Versäumnisurteil oder Vollstreckungsbescheid), ferner die Frist zum Widerspruch gegen eine Klagrücknahme (§ 269 II 4), die Verteidigungsanzeige gem § 276 I 1; die Frist für die Erhebung der Wiederaufnahmeklage (§ 586 I) sowie für die Anfechtungsklage gegen ein im Aufgebotsverfahren ergangenes Ausschlussurteil (§ 958 I 1). Notfristen können weder verkürzt noch verlängert werden und werden auch durch das Ruhen des Verfahrens nicht beeinflusst (§ 251 S 2), anders bei Aussetzung und Unterbrechung (§ 249 I).
II. Fristverlängerung durch das Gericht.
Rn 3
Gemäß Abs 2 können gesetzliche Fristen nur abgekürzt oder verlängert werden, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Für die Abkürzung von Fristen ist auf § 226 ZPO zu verweisen; bei allen Notfristen (insb Rechtsmittelfristen) ist dies ausgeschlossen (vgl auch BGH, 19.08.19 – AnwZ[Brfg.] 26/19, BeckRS 19, 22258 Rz 6; 28.7.16, AnwZ [Brfg.] 28/16, juris Rz 3 zur Frist für die Begründung der Zulassung der Berufung nach § 112e S 2 BRAO, § 124a Abs 4 S 5 VwGO). Die Fristverlängerung setzt einen Antrag der Partei voraus, der vor Ablauf der Frist eingehen muss. Die Bewilligung der Fristverlängerung kann bei rechtzeitigem Antrag aber auch nach Fristablauf erfolgen (hM seit BGHZ 83, 217; vgl St/J/Roth Rz 10 mwN). Wird ein Antrag auf Fristverlängerung zurückgewiesen, ist eine nähere und auf den Fall bezogene Begründung erforderlich (BGH MDR 18, 1014).
Rn 4
Abs 3 wird nur relevant, wenn bei einer Fristverlängerung oder Fristverkürzung das neue Fristende nicht (wie aus Gründen der Klarheit geboten) datumsmäßig festgelegt ist. Für die Fälle, in denen die Frist um einen bestimmten Zeitraum (zB 1 Woche) verlängert oder verkürzt wird, stellt Abs 3 klar, dass die neue Frist vom Ablauf der bisherigen Frist berechnet wird. Bei einer ›antragsgemäßen‹ Fristverlängerung ohne weitere datumsmäßige Festlegung, macht das Gericht den Fristverlängerungsantrag zum Inhalt der Fristverlängerung. Wird in dem Antrag das Fristende mit einem konkreten Datum bezeichnet, ist dies regelmäßig auch dann für das Fristende maßgebend, wenn daneben das Verlängerungsbegehren mit der Angabe eines Zeitraums (etwa um einen Monat) verbunden ist und dieser rechnerisch über das konkrete Datum hinausreicht. Objektiv liegt dem konkret genannten Datum nur eine fehlerhafte Ermittlung zugrunde (BGH, 2.6.16, III ZB 13/16, juris Rz 7).
III. Erhebliche Gründe für die Friständerung.
Rn 5
Die für die Verlängerung richterlicher Fristen nach § 224 II erforderlichen ›erheblichen Gründe‹ sind ebenso zu verstehen wie in § 520 II 3 (BVerfG NJW 2007, 3342). Wegen des durch Art 2 II GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 III GG) verbürgten Rechts auf faire Verfahrensgestaltung dürfen die an die Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten einzuhaltenden Sorgfaltsanforderungen und die zu erfüllende Darlegungslast keine überspannten Anforderungen gestellt werden. In der Rspr ist etwa anerkannt, dass ein Prozessbevollmächtigter mit großer Wahrscheinlichkeit dann mit der Bewilligung einer erstmals beantragten Fristverlängerung rechnen darf, wenn erhebliche Gründe dargelegt sind. Hierzu gehört die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten. Der bloße Hinweis auf eine solche Arbeitsüberlastung reicht zur Feststellung eines erheblichen Grundes iSv § 224 II aus, ohne dass es einer weiteren Substanziierung bedarf (BVerfG NJW 07, 3342 [BVerfG 26.07.2007 - 1 BvR 602/07]; BGH VersR 93, 771, 772 [BGH 13.10.1992 - VI ZB 25/92]; unzutreffend daher München 8.7.19 – 19 U 807/19, BeckRS 19, 16036 Rz 15f). Für die Glaubhaftmachung wird regelmäßig die anwaltliche Erklärung ausreichend sein (St/J/Roth Rz 9). Bei wiederholten Fristverlängerungsanträgen wird im Hinblick auf den Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung eine strengere Sichtweise angezeigt sein. Erforderlich ist bei der Entscheidung eine umfassende Abwägung der Parteiinteressen, wobei auf die Vermeidung einer unangemessenen Verfahrensverzögerung aber auch der Sachgerechtigkeit des Rechtsfin...