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Für die Beurteilung der Frage, ob der im Ausland ansässige Bekl inländisches Vermögen hat, kommt es zunächst auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an. Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit reicht es aber aus, wenn der Bekl bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung inländisches Vermögen erwirbt (München MDR 15, 728). Unter den Begriff des ›Vermögens‹ iSd § 23 fällt jedes selbstständige, geldwerte Vermögensrecht (BGH NJW 89, 1154, 1155; 97, 325, 326), so dass hierunter neben geldwerten schuldrechtlichen Ansprüchen (zB Auszahlungsanspruch des Kunden gegen eine Bank, bei der er ein Konto führt: Hambg VersR 94, 746) sämtliche sonstigen Vermögensrechte (wie zB Immaterialgüterrechte) einschl der dinglichen Rechte zu subsumieren sind, auch wenn es sich bei Letzteren ›lediglich‹, wie zB im Falle einer Grundschuld, um Verwertungsrechte handeln sollte (BGH NJW 89, 1154, 1155 [BGH 22.11.1988 - VI ZR 226/87]). Inhaberaktien, auch sammelverwahrte bzw globalverbriefte Aktien, sind Wertpapiere und keine bloßen Wertrechte, sie stellen Vermögenswerte iSd § 23 dar, die unabhängig vom Sitz der AG sind, sodass es für die Belegenheit darauf ankommt, wo sich das den Vermögenswert verbriefende Inhaberpapier tatsächlich befindet (BayObLG Beschl v 8.10.20 – 101 SchH 120/20, Rz 29 mwN – juris). Ferner begründet eine Beteiligung an Gesellschaften mit Inlandssitz inlandsbelegenes ›Vermögen‹, wobei zwar zu erwägen ist, ob die Errichtung und Unterhaltung von Tochtergesellschaften durch ausländische Muttergesellschaften mit Auslandssitz einen Gerichtsstand aus § 23 gegen die Muttergesellschaft zur Folge haben kann (Wildmoser/Schiffer/Langoth RIW 09, 657, 661; wohl auch Mankowski EuZA 19, 386), aber die Beteiligung der beklagten ausl Muttergesellschaft an einer inländischen Tochtergesellschaft regelmäßig nicht genügt (BGH Urt v 20.4.93 – XI ZR 17/90, Rz 14 – juris; Hamm Urt v 5.12.18 – 8 U 50/17, Rz 48 – juris; BAG Urt v 25.6.13 – 3 AZR 138/11, Rz 36 – juris; Zö/Schultzky § 23 Rz 8; krit MüKo/Patzina § 23 ZPO Rz 17). § 23 S 1 Alt 1 kann für Klagen gegen drittstaatliche Konzerntöchter einen Gerichtsstand am Sitz deutscher Muttergesellschaften begründen (Weller/Benz/Zimmermann NZG 19, 1121, auch zur Ankerklage gegen in der EU ansässige Beklagte gem Art 8 Nr 1 EuGVVO). Anhand der vorstehend beschriebenen stark wortlautorientierten Auslegung scheiden von vorneherein Ansprüche aus, die nicht auf Vermögensmehrung gerichtet sind, wie etwa Ansprüche auf Herausgabe von Briefen, Fotografien oder sonstigen Gegenständen, an denen lediglich persönliche Interessen oder Affektionsinteressen bestehen. Gleiches gilt für Ansprüche auf Auskunftserteilung (MüKoZPO/Patzina § 23 Rz 17), es sei denn die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs dient der Vorbereitung einer Zahlungsklage oder einer Klage auf Herausgabe von Wertgegenständen, ohne dass es dafür ausschlaggebend sein kann, ob er isoliert oder iRe Stufenklage anhängig gemacht wird. Die Frage, ob es bei der Begründung der internationalen Zuständigkeit durch § 23 über diese wortlautorientierten Grenzen hinaus geboten ist, den Vermögensbegriff im Hinblick auf den Normzweck einschränkend auszulegen, ist in Rspr und Literatur umstr. Dabei reicht das Meinungsspektrum von einem weiten Vermögensbegriff, der jeden Gegenstand mit – wenn auch nur geringem – Geldwert genügen lässt, ohne Rücksicht darauf, ob er zur Befriedigung der Klageforderung geeignet oder ausreichend ist (BGH NJW 97, 325, 326), bis hin zu einem über den Vermögensbegriff gesteuerten, normzweckorientierten Verständnis des § 23 als einem ›Gerichtsstand des Vollstreckungszugriffs‹, der erfordere, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung Vermögen in einem solchen Ausmaß vorhanden ist, dass im Vollstreckungsfall ein die Vollstreckungskosten übersteigender Erlös zu erwarten ist (Celle NJW 99, 3722 [OLG Celle 29.10.1998 - 13 W 106/98]; St/J/Roth § 23 Rz 15, 20). Letztere Auffassung beruft sich auf den Normzweck, verkennt dabei aber, dass § 23 sowohl dem Zweck der Erleichterung der Rechtsverfolgung bei Sachverhalten mit Auslandsberührung als auch dem Zweck dient, inländisches Vermögen für den Vollstreckungszugriff bereitzustellen. Daher geht es nicht an, § 23 auf den Normzweck der Bereitstellung eines Vollstreckungsgerichtsstandes zu begrenzen. Dies würde überdies im Widerspruch zur Tradition der ZPO stehen, klare Zuständigkeitstatbestände zur Verfügung zu stellen, bei denen die substantiierte Darlegung der Tatbestandsvoraussetzungen den Kl nicht vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen darf und zu deren Aufklärung das Gericht nicht bereits Sachaufklärung betreiben muss (BGH NJW 97, 325, 326). Dies wäre aber der Fall, wenn man mehr vom Kl verlangen würde, als darzulegen, dass der Bekl über inländisches Vermögen verfügt, das zur Befriedigung herangezogen werden könnte (BGH NJW 97, 325, 326). Ob der Kl sich also tatsächlich aus dem zuständigkeitsbegründenden Vermögen wird befriedigen können, muss demnach für die Zuständigkei...