Gesetzestext
Die Versäumung einer Prozesshandlung hat zur allgemeinen Folge, dass die Partei mit der vorzunehmenden Prozesshandlung ausgeschlossen wird.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Vorschrift regelt die allgemeinen Folgen der Versäumung einer Prozesshandlung. Die Partei ist mit der versäumten Prozesshandlung ausgeschlossen (Präklusion) und muss die damit verbundenen Nachteile tragen. Der auf diese Weise auf die Partei ausgeübte Druck soll sie im Interesse einer zügigen Verfahrensdurchführung zur Einhaltung von Fristen und sorgfältiger Prozessführung veranlassen. Da die Folge der Versäumung unabhängig von einem Verschulden der Partei durch die bloße Versäumung (im Grundsatz sogar ohne vorherige Androhung oder Antrag des Gegners eintritt (§ 231), bedarf es, auch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs, einer Korrektur für die Fälle unverschuldeter Fristversäumung. Voraussetzungen und Verfahren hierfür sind in den Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233–238) geregelt. In bestimmten Fällen unterbleibt die Präklusion trotz Fristversäumung, etwa wenn ein unter Verstoß gegen gesetzte Fristen erfolgter Parteivortrag nicht zu einer Verfahrensverzögerung führt (vgl § 296). In anderen Fällen (vgl § 283) führt die Fristversäumung nicht zwingend zur Präklusion, sondern ist die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens in das Ermessen des Gerichts gestellt.
B. Tatbestandsvoraussetzungen.
I. Prozesshandlung.
Rn 2
Bsp: Klage, Rechtsmittel, Widerspruch gegen Mahnbescheid, Nebenintervention, Streitverkündung, Behaupten, Bestreiten, Anerkenntnis, Verzicht, Geständnis, Anträge jeder Art (Beweisantrag). Das bloße Nichterscheinen (›Säumnis‹) ist als solche keine Prozesshandlung, hierfür gelten nicht §§ 230 ff, sondern spezielle Vorschriften, vgl zu den Folgen des Nichterscheinens von Zeugen (§ 380), Parteien (§§ 141 III, 251a, 454) sowie des Gläubigers und Schuldners (§§ 877, 901). Einen Sonderfall stellt ferner die Säumnis der Partei in Sinne von §§ 330 ff dar; zwar ist diese idR gleichfalls mit einem Nichterscheinen verbunden, doch geht es dabei in erster Linie um die Versäumung einer Prozesshandlung (der Antragstellung)
II. Versäumung.
Rn 3
Eine Prozesshandlung ist versäumt, wenn sie nicht bis zum Ablauf einer dafür bestehenden Frist wirksam vorgenommen wurde. Versäumt ist sie deshalb auch dann, wenn sie zwar innerhalb der Frist vorgenommen wurde, aber an Mängeln leidet, die zur Unwirksamkeit führen (fehlende Unterschrift unter bestimmenden Schriftsatz; Antrag durch nicht postulationsfähigen Anwalt oder durch die Partei persönlich im Anwaltsprozess, Rechtsmitteleinlegung beim unzuständigen Gericht). Innerhalb der Frist können Mängel der Prozesshandlung behoben, der Vortrag ergänzt werden usw. Die Vornahme einer Prozesshandlung schon vor Fristbeginn ist möglich und unschädlich (Einspruch gegen einen noch nicht wirksam zugestellten Vollstreckungsbescheid, Rechtsmittel gegen ein verkündetes, aber noch nicht zugestelltes Urt).
III. Frist.
Rn 4
Damit sind in erster Linie die gesetzlichen Fristen (insb Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungspflichten) gemeint, aber auch richterliche Fristen fallen darunter. Die Frist muss nicht zwingend durch ein Datum festgelegt werden, sondern kann auch durch eine bestimmte Prozesslage gekennzeichnet sein, zB Schluss der mündlichen Verhandlung für § 295 I.