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An die Organisation des Fristenwesens einer Anwaltskanzlei stellt die Rspr sehr strenge Maßstäbe, denn die rechtzeitige Erstellung und Einreichung fristgebundener Schriftsätze gehört zu den zentralen Aufgaben des RA. Er darf die Berechnung der üblichen Fristen in Rechtsangelegenheiten, die in seiner Praxis häufig vorkommen, seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen, wenn die Berechnung der Fristen keine rechtlichen Schwierigkeiten macht. Allerdings muss der RA durch geeignete Anweisungen sicherstellen, dass ihm die Feststellung des Beginns und des Endes der Fristen in den Fällen vorbehalten bleibt, die in seiner Praxis ungewöhnlich sind oder bei deren Berechnung Schwierigkeiten auftreten können, denn die eigene Sorgfaltspflicht des Anwalts erhöht sich bei Vorliegen besonderer Umstände, die eine erhöhte Gefahr für den reibungslosen Ablauf des Kanzleibetriebs darstellen (BGH 12.2.20 – IV ZB 23/19, juris Rz 13; NJW 08, 3705 [BGH 09.09.2008 - VI ZB 8/08] Rz 6). Ferner hat der RA durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Berechnung einer Frist, ihre Notierung auf den Handakten, die Eintragung in den Fristenkalender sowie die Quittierung der Kalendereintragung durch einen Erledigungsvermerk auf den Handakten von der zuständigen Bürokraft zum frühest möglichen Zeitpunkt und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang vorgenommen werden (BGH MDR 20, 625 Rz 12; NJW-RR 14, 698 [BGH 27.11.2013 - XII ZB 116/13]; NJW 03, 1815 [BGH 05.02.2003 - VIII ZB 115/02]; vgl auch BGH NJW-RR 13, 1010 [BGH 23.01.2013 - XII ZB 167/11]: ausnahmsweise kein Erledigungsvermerk in der Handakte erforderlich, wenn die Arbeitsanweisung sicherstellt, dass die Frist zuerst im Fristenkalender und dann in der Handakte notiert wird). Der RA darf das Empfangsbekenntnis nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (BGH NJW 10, 1080 [BGH 02.02.2010 - VI ZB 58/09] Rz 6). Wird ein Beschluss über die Gewährung von PKH dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gem § 174 I gegen Empfangsbekenntnis zugestellt, so hat der Prozessbevollmächtigte bei Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses anhand der Handakte zu überprüfen, ob eine durch Bekanntgabe dieses Beschlusses in Lauf gesetzte Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ordnungsgemäß notiert ist (BGH WM 20, 2047 [BGH 15.09.2020 - VI ZR 544/19] Rz 7). Dem Büropersonal muss aufgegeben werden, das Datum der Zustellung gesondert und deutlich abgehoben von dem nicht maßgeblichen Aufdruck des Eingangsdatums zu vermerken (BGH MDR 10, 1075). Unverzichtbar ist eine klare Anweisung, dass unter allen Umständen zuerst die Fristen im Kalender eingetragen werden müssen, bevor ein entsprechender Erledigungsvermerk in der Handakte eingetragen werden kann (BGH 6.2.18 – II ZB 14/17, juris Rz 10; 29.6.17 – III ZB 95/16, juris Rz 9; MDR 14, 422 [BGH 26.11.2013 - II ZB 13/12]). Der RA, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung mit einer Sache befasst wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen (BGH MDR 20, 625 Rz 16). Auf welche Weise (herkömmlich oder elektronisch) die Handakte geführt wird, ist hierfür ohne Belang (BGH MDR 20, 1140 Rz 12; NJW-RR 20, 1002 [BGH 18.06.2020 - IX ZB 17/18] Rz 10). Der RA kann sich grds auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken. Ist die Erledigung der Eintragung im Fristenkalender ordnungsgemäß in der Handakte vermerkt und drängen sich an der Richtigkeit insoweit keine Zweifel auf, braucht der RA nicht noch zusätzlich zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender eingetragen ist (BGH MDR 20, 1463 Rz 8; NJW-RR 17, 953 [BGH 09.05.2017 - VIII ZB 5/16] Rz 10; MDR 17, 1380). Ferner muss durch allgemeine Anweisung sichergestellt werden, dass das Büropersonal nicht eigenmächtig im Fristenkalender eingetragene Fristen ändert oder löscht (BGH MDR 20, 945 [BGH 28.04.2020 - VI ZR 347/19] Rz 9; MDR 14, 119 [BGH 29.10.2013 - X ZB 17/12]). Der RA ist nicht verpflichtet, durch Stichproben eine allgemeine Anweisung zur Ausgangskontrolle der Schriftsätze zu überwachen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass die mit dieser Aufgabe betraute Bürokraft während ihrer langjährigen Tätigkeit noch nie eine Frist versäumt hatte und es sich um einen einmaligen Fehler handelte (BGH MDR 20, 1202 [BGH 02.07.2020 - VII ZB 46/19] Rz 13).

Die mündliche Anweisung, eine Rechtsmittelfrist einzutragen, reicht nur, wenn zusätzlich ausreichende organisatorische Maßnahmen dafür getroffen sind, dass eine korrekte Fristeintragung erfolgt und die mündliche Anweisung nicht vergessen wird (BGH MDR 08, 654). Fristen zur Einhaltung von Rechtsmitteln müssen als solche gekennzeichnet sein und sich von gewöhnlichen Fristen deutlich unterscheiden (BGH NJW 04, 688, 689 [BGH 04.11.2003 - VI ZB 50/03]); zu den Anforderungen bei ...

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