Rn 33
Mit einfachen Tätigkeiten dürfen auch Auszubildende betraut werden, ohne dass eine besondere Überwachung erforderlich wäre, wenn sie sich bislang als zuverlässig erwiesen haben bzw von ihnen eine gewissenhafte Ausführung des Auftrags erwartet werden kann. Bsp: Einkuvertieren der Post (BGH MDR 11, 1195); Botengang; Einwurf der Rechtsmittelschrift in den Gerichtsbriefkasten auf dem Heimweg (BGH NJW 07, 603 [BGH 02.11.2006 - III ZR 10/06]), Heraussuchen der postalischen Anschrift des Gerichts oder der Faxnummern (anders wenn der Anwalt diese Angaben bei einem Schriftsatz mitdiktiert, dann muss er die Richtigkeit der Übertragung prüfen oder den Mitarbeiter mit Adressprüfung beauftragen, BGH NJW 96, 393); faxen (BGH 28.1.16 – III ZB 110/15, juris Rz 6), frankieren, E-Mail-Sendung; Schreibtätigkeit; hierunter fällt auch die Anordnung, einen falsch adressierten Schriftsatz (Verlängerungsantrag) zu vernichten, ihn mit richtiger Adresse neu zu schreiben und nach Unterschrift abzusenden: der Rechtsanwalt muss nach seiner Unterschrift unter das richtig adressierte, neue Schreiben nicht damit rechnen, dass die Angestellte das neue Schreiben vernichtet und das falsch adressierte Schreiben an das unzuständige Gericht absendet, statt es zu vernichten (BGH BRAK-Mitt 07, 200). Auch die Einzelanweisung, bei der bereits unterzeichneten Berufungsschrift auf der durchgestrichenen ersten Seite die Adresse des LG durch die des OLG zu ersetzen und den Schriftsatz per Fax an das OLG zu übermitteln, bedarf keiner Kontrolle (s aber u Rn 41 und 52); streicht der RA in einem solchen Fall nach Unterrichtung über die ordnungsgemäße Übermittlung des Schriftsatzes eigenhändig die Frist im Kalender, liegt ein der Partei zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht darin, dass sich der RA auf die Auskunft der Angestellten verlassen hat (BGH AnwBl 10, 624 [BGH 27.04.2010 - VIII ZB 84/09]).
Rn 34
Eine Nachfrage des Anwalts, ob eine einfache Tätigkeit ordnungsgemäß ausgeführt wurde, ist grds nicht erforderlich (dann wäre die sinnvolle Konzentration des Anwaltes auf seine nicht delegierbaren Aufgaben kaum möglich). Dies gilt auch dann, wenn er sich eines mit ihm in Bürogemeinschaft befindlichen Rechtsanwalts als Boten bedient (BVerfG NJW 95, 249 [BVerfG 16.08.1994 - 2 BvR 2813/93]; vgl auch BVerfG NJW 02, 1411 [BVerfG 06.02.2002 - 2 BvR 1249/01] zur Beauftragung eines Stationsreferendars). Auch die Überprüfung, ob ein (in welcher Form auch immer) abzusendender Rechtsmittelschriftsatz vom Anwalt unterschrieben ist, kann delegiert werden. Besteht eine generelle Anordnung des Rechtsanwalts, alle Schriftsätze vor Abgang daraufhin zu überprüfen, ob sie mit einer Unterschrift versehen sind, kann der RA darauf vertrauen, dass diese Anordnung beachtet wird. Dies gilt auch, wenn der RA einen nicht unterschriebenen Schriftsatz versehentlich der Mitarbeiterin persönlich zur Weiterleitung aushändigt (BVerfG NJW 96, 309 [BVerfG 27.09.1995 - 1 BvR 414/95]). Ist die Kanzleianordnung nicht geeignet, den konkreten Fehler des RA (Unterzeichnung eines falschen Schriftstücks) bei einem normalen Verlauf der Dinge aufzufangen, ist das Anwaltsverschulden bei der Unterschriftsleistung als für die versäumte Frist ursächlich anzusehen und bei einer wertenden Betrachtung dem RA und nicht dem Büropersonal zuzurechnen (BGH NJW 12, 856 [BGH 17.10.2011 - LwZB 2/11]). Bei einem Anwaltswechsel in der Berufungsinstanz ist der Anwalt nicht gehalten, auch ohne konkrete Anhaltspunkte zu prüfen, ob die vom früheren Anwalt eingereichte Berufungsschrift ordnungsgemäß unterzeichnet war (BGH NJW 02, 3636 [BGH 26.09.2002 - III ZB 44/02]). Auch die Überprüfung, ob einem Antrag auf Sprungrevision das Original der Einwilligungserklärung des Antragsgegners beigefügt ist, kann der RA als büromäßige Aufgabe ohne Bezug zu Rechtsfragen auf sein zuverlässiges Personal übertragen und braucht die Ausführung nicht persönlich zu überprüfen (BGH NJW-RR 07, 1975).