Rn 4
Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem das Hindernis für die Nichteinhaltung der Frist entfallen ist, dieser Tag wird also nicht mitgerechnet (§ 187 I BGB). Das Hindernis entfällt in dem Zeitpunkt, in dem entweder die Ursache der Verhinderung – zB Krankheit (BGH NJW 11, 1601 [BGH 05.04.2011 - VIII ZB 81/10]); Unkenntnis einer ergangenen Entscheidung – wegfällt oder das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann, insb weil die Partei oder ihr Anwalt bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten erkennen können und müssen, dass die Frist versäumt war (BGH NJW-RR 15, 441 [BGH 13.01.2015 - VI ZB 46/14]; NJW 00, 592, stRspr). Der Zeitpunkt kann bei der Beantragung von PKH auch schon vor der Bekanntgabe des versagenden Beschlusses liegen, wenn etwa aufgrund eines gerichtlichen Hinweises die Partei nicht mehr mit der Bewilligung rechnen konnte (BGH FamRZ 10, 448; VersR 18, 1149). Bei der Begründung eines Wiedereinsetzungsgesuchs ist deshalb besondere Sorgfalt auf den Vortrag zum Wegfall des Hindernisses zu verwenden (wodurch genau und zu welchem Zeitpunkt ist das Hindernis entfallen?). War bei Wegfall des Hindernisses die Frist noch nicht abgelaufen, so ist zu unterscheiden: reicht die – wenn auch verkürzte – Frist noch zur Vornahme der Handlung, ist kein Wiedereinsetzungsgrund gegeben; ist das nicht der Fall, liegt zwar ein Wiedereinsetzungsgrund vor, die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag beginnt in diesem Fall aber schon vor der Versäumung der eigentlichen Frist zu laufen (vgl BGH NJW-RR 90, 830 [BGH 31.01.1990 - VIII ZB 44/89]).
I. Beispiele.
Rn 5
Maßgebend ist etwa der Zeitpunkt der Unterzeichnung der Berufungsschrift bei bereits verstrichener Berufungsfrist (BGH NJW-RR 15, 441 [BGH 13.01.2015 - VI ZB 46/14]). Auch kann sich die Erkennbarkeit aus einem Hinweis des Prozessgegners ergeben (BGH NJW 15, 3519 [BGH 24.09.2015 - IX ZR 206/14]). Unterlässt der RA die gebotene Nachfrage, ob die Fristverlängerung gewährt ist, wird die WE-Frist zu dem Zeitpunkt in Gang gesetzt, zu dem er eine klärende Antwort erhalten hätte (BGH NJW 12, 159 [BGH 13.10.2011 - VII ZR 29/11]). Wird wegen einer unvorhersehbaren Erkrankung am Tag des Ablaufs der Rechtsmittelbegründungsfrist eine Fristverlängerung beantragt und diese zurückgewiesen, beginnt die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Zugang der ablehnenden gerichtlichen Entscheidung (BGH NJW 20, 157 [BGH 08.08.2019 - VII ZB 35/17] Rz 20). Weitere Beispiele: der Anwalt unterlässt die gebotene Fristenprüfung, wenn ihm die Handakten zum Zweck der Rechtsmitteleinlegung oder Rechtsmittelbegründung vorgelegt werden (BGH NJW-RR 05, 1085; MDR 11, 1208 [BGH 06.07.2011 - XII ZB 88/11]); mangels entsprechender Anweisung unterbleibt die gebotene Überprüfung der Fristeinhaltung anhand der gerichtlichen Mitteilung über das Eingangsdatum des fristgebundenen Schriftsatzes (BGH NJW 94, 458 [BGH 09.12.1993 - IX ZB 70/93]). Das Hindernis der Unkenntnis der Urteilszustellung entfällt mit Übermittlung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses oder Zugang einer Vollstreckungsandrohung ohne Sicherheitsleistung der Gegenseite (BGH NJW 01, 1430, 1431 [BGH 15.01.2001 - II ZB 1/00]); ferner wenn die Partei eine ihr während des Urlaubs zugegangene Entscheidung auch nach ihrer Rückkehr nicht zur Kenntnis nimmt, weil sie sich nicht um die eingegangene Post kümmert.
II. Prozesskostenhilfe.
1. Ablehnende Entscheidung.
Rn 6
Wird PKH abgelehnt, bleibt der Partei nach der Bekanntgabe der Entscheidung (dies gilt auch, wenn die Partei Gegenvorstellung einlegt, vgl BGH VersR 80, 86) eine Zeit von 3 bis 4 Tagen für die Überlegung, ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will (BGH MDR 20, 1269 Rz 6; MDR 17, 482 [BGH 22.09.2016 - IX ZB 84/15]; 08, 99 [BGH 19.07.2007 - IX ZB 86/07]; NJW-RR 90, 451 [BGH 08.11.1989 - IVb ZB 110/89]). Dies findet seinen Grund darin, dass die Prüfung der Frage, ob der Rechtsstreit infolge der Versagung von PKH auf eigene Kosten in der Rechtsmittelinstanz durchgeführt werden soll, wegen des damit verbundenen offensichtlichen Risikos eine gründlichere und daher auch zeitaufwendigere Beurteilung der Erfolgsaussicht erfordert als der Entschluss, nach der Bewilligung von PKH und daher nach wesentlicher Verringerung der Gefahr einer Kostenbelastung das Rechtsmittel einzulegen (BGH MDR 20, 1269 Rz 6; 78, 482). Die Überlegungsfrist besteht auch dann, wenn das Berufungsgericht die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung bereits in einem vorangegangenen Beschwerdeverfahren gegen die PKH-ablehnende Entscheidung der 1. Instanz verneint hat. Im Anschluss an die Überlegungsfrist läuft die zweiwöchige Frist des § 234 I für die Wiedereinsetzung und die damit zu verbindende Einlegung des Rechtsmittels; auf einen späteren Wegfall der Mittellosigkeit kommt es nicht an, weil Wiedereinsetzungsgrund nicht die Mittellosigkeit als solche, sondern die noch fehlende Entscheidung des Gerichts über ein Gesuch ist, von dem die Partei annehmen durfte, es werde Erfolg haben (BGH WuM 09, 691f). Diese Grundsätze gelte...