Gesetzestext
Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht.
A. Normzweck.
Rn 1
Aus Gründen der Verfahrensökonomie ist das Gericht (nicht allein der Vorsitzende: BGH, 19.7.16, II ZB 3/16, juris Rz 20), das über die nachgeholte Prozesshandlung zu befinden hat, auch zur Nebenentscheidung über die Wiedereinsetzung berufen, bei Einspruch gegen Versäumnisurteil oder Vollstreckungsbescheid also das Gericht, welches das Versäumnisurteil erlassen hat bzw das für das streitige Verfahren zuständige Gericht, bei Rechtsmitteln das Rechtsmittelgericht. Ist der Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung einer Rechtsmittelfrist nicht gerechtfertigt, so wird regelmäßig in einem Beschluss das Rechtsmittel verworfen und der Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt.
B. Einzelheiten.
I. Wiedereinsetzungsantrag nach Entscheidung über das Rechtsmittel.
Rn 2
Die Zuständigkeit des für die Entscheidung über die versäumte Prozesshandlung berufenen Gerichts für den Wiedereinsetzungsantrag besteht auch dann, wenn es das Rechtsmittel bereits verworfen hatte (BGH MDR 18, 296 [BGH 06.12.2017 - XII ZB 107/17]; BGH 26.1.16 – II ZR 57/15, juris Rz 4; NJW-RR 14, 758; NJW-RR 13, 702 [BGH 26.02.2013 - VI ZR 374/12]). Dies sollte eigentlich nicht vorkommen, weil das Gericht verpflichtet ist, der Partei vor der Verwerfungsentscheidung rechtliches Gehör zu gewähren, indem es auf die Fristversäumung und die aus diesem Grund beabsichtigte Verwerfung hinweist; die Partei erhält so Gelegenheit, zur Fristversäumung Stellung zu nehmen und ggf sogleich Wiedereinsetzung zu beantragen. Anderenfalls kann es passieren, dass die Partei erst durch die Verwerfungsentscheidung davon erfährt, dass das Rechtsmittel verspätet eingelegt wurde. Die Partei kann (und muss im eigenen Interesse) dann selbstverständlich den Wiedereinsetzungsantrag noch bei dem Gericht anbringen, das bereits das Rechtsmittel in der Hauptsache verworfen hat. Gibt das Gericht dem Wiedereinsetzungsantrag statt, wird seine zuvor ergangene, das Rechtsmittel verwerfende Entscheidung ohne weiteres gegenstandslos. Das gleiche gilt, wenn das Wiedereinsetzungsgesuch erst in der Rechtsmittelinstanz Erfolg hat.
II. Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über Wiedereinsetzung.
Rn 3
Aus Gründen der Prozessökonomie wird es in Ausnahmefällen als zulässig angesehen, dass das mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache befasste Gericht die Entscheidung an sich zieht. So kann das Rechtsbeschwerdegericht über den für die Beschwerdeinstanz gestellten Wiedereinsetzungsantrag entscheiden, wenn nach dem Akteninhalt Wiedereinsetzung ohne Weiteres zu gewähren ist (BGH MDR 18, 296 Rz 12; BGH 26.1.16 – II ZR 57/15, juris Rz 4; NJW-RR 14, 1532 Rz 12; NJW-RR 13, 702 Rz 2). Gleiches gilt, wenn die Vorinstanz verfahrensfehlerhaft eine Entscheidung über den bei ihm gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung unterlassen hat (BGH MDR 18, 296 Rz 12; FamRZ 1994, 438) oder das Rechtsmittel verworfen und zugleich den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt hat (BGH MDR 18, 296 Rz 12). Ferner kann das Rechtsmittelgericht dann selbst entscheiden, wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel materiell-rechtlich zum selben Ergebnis wie eine Versagung der Wiedereinsetzung führt, weil dann die Wiedereinsetzung zugunsten der fristsäumigen Partei unterstellt werden kann (BGH MDR 18, 296 [BGH 06.12.2017 - XII ZB 107/17] Rz 12; NJW-RR 14, 1532 [BGH 20.05.2014 - VI ZR 384/13] Rz 13). Demgegenüber ist das Rechtsmittelgericht nicht zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag befugt, wenn dieser aus seiner Sicht zurückzuweisen wäre. Der Grund für die Differenzierung ist in der Unanfechtbarkeit der Bewilligung der Wiedereinsetzung zu suchen. Sie bleibt also auch bestehen, wenn sie zu Unrecht erfolgt ist. Bei einer ablehnenden Entscheidung des Rechtsmittelgerichts würde dem Antragsteller die Chance einer abweichenden unanfechtbaren Entscheidung genommen. Diese soll ihm aber erhalten bleiben.