Gesetzestext
(1) Stirbt in Anwaltsprozessen der Anwalt einer Partei oder wird er unfähig, die Vertretung der Partei fortzuführen, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens ein, bis der bestellte neue Anwalt seine Bestellung dem Gericht angezeigt und das Gericht die Anzeige dem Gegner von Amts wegen zugestellt hat.
(2) 1Wird diese Anzeige verzögert, so ist auf Antrag des Gegners die Partei selbst zur Verhandlung der Hauptsache zu laden oder zur Bestellung eines neuen Anwalts binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist aufzufordern. 2Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, so ist das Verfahren als aufgenommen anzusehen. 3Bis zur nachträglichen Anzeige der Bestellung eines neuen Anwalts erfolgen alle Zustellungen an die zur Anzeige verpflichtete Partei.
A. Anwendungsbereich.
Rn 1
In Anwaltsprozessen sind die Parteien selbst nicht postulationsfähig, vielmehr müssen sie sich durch einen beim Prozessgericht zugelassenen RA vertreten lassen (§ 78). Die Postulationsfähigkeit ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die jeweilige Prozesshandlung (MüKoZPO/Stackmann § 244 Rz 1). Deshalb tritt in Anwaltsprozessen die Unterbrechung nicht mit dem Tod einer Partei ein (vgl § 246); jedoch wird das Verfahren nach § 244 durch den Tod des RA oder durch den Eintritt seiner Vertretungsunfähigkeit unterbrochen. Seine bisherigen Prozesshandlungen bleiben aber wirksam (BFH/NV 09, 198 [BFH 11.11.2008 - X B 190/07]).
Rn 2
§ 244 gilt nicht im Parteiprozess, auch wenn die Partei sich durch einen RA vertreten lässt; stirbt dieser oder wird er vertretungsunfähig, tritt die Partei an seine Stelle (BGH WM 10, 777 [BGH 22.02.2010 - II ZB 8/09]; ThoPu/Hüßtege § 244 Rz 2). § 244 gilt in Anwaltsprozessen nur für das Hauptsacheverfahren, nicht aber für die Nebenverfahren, soweit die Prozesshandlung zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden kann, so zB im Prozesskostenhilfeverfahren, § 117 I 1 (BGH NJW 66, 1126), beim Arrest und bei der einstweiligen Verfügung, §§ 920 III, 936, und beim Ablehnungsgesuch, § 44 I 2 Hs (Hamm BeckRS 12, 10989; MüKoZPO/Stackmann § 244 Rz 4; vgl auch vor §§ 239 ff Rn 1, 2).
B. Voraussetzungen.
I. Partei.
Rn 3
Hier gilt derselbe Parteibegriff wie bei § 239 (vgl dort Rn 5). § 244 gilt über den Wortlaut hinaus im Anwaltsprozess auch bei einer Partei kraft Amtes, wenn deren Prozessbevollmächtigter verstirbt oder vertretungsunfähig wird (Zö/Greger § 244 Rz 1).
II. Anwalt.
Rn 4
Darunter versteht man den wirksam beauftragten RA, dh den Prozessbevollmächtigten, wobei es auf die jeweilige Instanz ankommt (ThoPu/Hüßtege § 78 Rz 4). Die nächst höhere Instanz beginnt erst mit der Einlegung des Rechtsmittels, so dass eine Unterbrechung auch dann eintritt, wenn das Urt an den Prozessbevollmächtigten zugestellt wird und dieser vor Einlegung des Rechtsmittels sowie vor Ablauf der Rechtsmittelfrist verstirbt (BGH NJW 95, 1095 [BGH 01.02.1995 - VIII ZB 53/94]; BAG NJW 07, 3226 [BAG 18.07.2007 - 5 AZR 848/06]). Ist der Rechtsstreit in verschiedenen Instanzen anhängig (zB Anfechtung eines Teilurteils), tritt die Unterbrechung nur in der Instanz ein, in der der verstorbene RA tätig war (MüKoZPO/Stackmann § 244 Rz 11).
Rn 5
Vertritt sich der RA als Partei selbst (§ 78 IV), wird das Verfahren im Falle seiner Vertretungsunfähigkeit nach § 244 unterbrochen (BGH NJW 02, 2107 [BGH 07.03.2002 - IX ZR 235/01]; NJW-RR 18, 567; KG NJW-RR 08, 142 [KG Berlin 09.07.2007 - 2 W 89/07]). Dasselbe gilt, wenn er verstirbt; in diesem Fall ist § 246 nicht einschlägig, weil keiner den Aussetzungsantrag stellen kann (BGH FamRZ 18, 836 = NJW-RR 18, 567). § 246 und nicht § 244 greift ein, wenn der RA nach dem Tod durch eine andere Person weiterhin vertreten wird. Das gilt aber nach Streichung des § 54 BRAO aF nicht mehr für den allg bestellten Vertreter nach § 53 BRAO, weil dessen Befugnisse mit dem Tod des RA enden (BGH FamRZ 18, 836).
III. Tod.
Rn 6
Die Unterbrechung beginnt mit dem Tod des Prozessbevollmächtigten. Sind mehrere RA beauftragt worden, reicht der Tod eines Bevollmächtigten nicht aus (BAG NJW 72, 1388).
IV. Vertretungsunfähigkeit.
Rn 7
Dem Tod gleichgestellt ist der Wegfall der rechtlichen Vertretungsfähigkeit eines RA. Hierzu zählen folgende Konstellationen: Der Wegfall der Geschäftsfähigkeit (BGH NJW 59, 1587 [BGH 13.05.1959 - V ZR 151/58]), der Wegfall der Postulationsfähigkeit (BGH MDR 76, 487; BFH/NV 15, 1252 [BFH 27.05.2015 - X B 72/14] – Rückgabe der Zulassung – § 14 II Nr. 2 BRAO), das Erlöschen oder die Rücknahme bzw der Widerruf der Zulassung nach §§ 13 ff BRAO (BGH NJW 13, 2438 [BGH 21.03.2013 - VII ZB 13/12]), das Vertretungsverbot und die Ausschließung nach § 114 I Nr 4, 5, § 204 I, V BRAO, die Erteilung eines vorläufigen Berufs- oder Vertretungsverbotes gem. §§ 150, 155 BRAO (BAG NJW 07, 3226 [BAG 18.07.2007 - 5 AZR 848/06]; Hamm NJW 08, 3075 [OLG Hamm 03.06.2008 - 19 U 26/08] – auch ohne Kenntnis des Gerichts) und die Erteilung eines Berufsverbotes nach § 70 StGB (BGH NJW 90, 1854 [BGH 29.03.1990 - III ZB 39/89]). Der RA, der sich im amtsgerichtlichen Verfahren selbst vertritt, kann auch nach dem Berufsverbot noch wirksam Berufung bis ...