Gesetzestext
Gegen die Entscheidung, durch die auf Grund der Vorschriften dieses Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde statt.
A. Anwendungsbereich.
Rn 1
Die Vorschrift ist anwendbar bei Beschlüssen, mit denen durch das AG oder LG im ersten Rechtszug die Aussetzung (zum Begriff: s.o. vor §§ 239 ff Rn 9, 10) angeordnet oder abgelehnt wird. Dabei werden alle Fälle der Aussetzung (s.o. vor §§ 239 ff Rn 9) erfasst und nicht nur die der §§ 246 f, wobei die größte praktische Bedeutung bei den Entscheidungen nach §§ 148, 149 besteht (MüKoZPO/Stackmann § 252 Rz 2).
§ 252 gilt auch für die Anordnung oder Ablehnung des Ruhens nach §§ 251, 251a III als Sonderfall der Aussetzung (MüKoZPO/Stackmann § 252 Rz 11). Wegen der möglichen Unzulässigkeit vgl § 251 Rn 4.
Allerdings gehen Sonderregelungen dem § 252 vor, wie z.B. § 3 II 1 KapMuG, der einen Beschluss zur Bekanntmachung eines Kapitalanleger-Musterverfahren (vgl näher Stackmann NJW 10, 31) im Klageregister betrifft, und zwar auch dann, wenn der Anwendungsbereich des § 1 KapMuG nicht betroffen ist (Braunschw v 11.11.16 – 3 W 19/16). Der Aussetzungsbeschluss nach § 8 I 1 KapMuG ist hingegen auch mit der Begründung anfechtbar, dass der Anwendungsbereich des KapMuG nicht eröffnet ist (BGH NJW-RR 14, 758; NJW 19, 3444 [BGH 30.04.2019 - XI ZB 13/18]; Bremen BeckRS 19, 33042; Braunschw BeckRS 20, 25514 Rz 29; vgl auch BGH NJW 09, 2539 [BGH 16.06.2009 - XI ZB 33/08] zu § 7 I KapMuG aF). Entsprechendes gilt für Haftungsgründe, die nicht Gegenstand des Musterverfahrens nach dem KapMuG wären; hier ist eine sofortige Beschwerde statthaft (München ZIP 10, 1920). Vergleichbar ist auch die Aussetzung nach § 613 II im Musterfeststellungsverfahren. Zur Frage der Teilaussetzung nach KapMuG s.o. § 248 Rn 2.
Rn 2
Nicht anwendbar ist § 252 bei Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der Unterbrechung (zum Begriff s.o. vor §§ 239 ff Rn 6, 8) stehen (MüKoZPO/Voit/Stackmann § 252 Rz 4; aA LAG Köln BeckRS 12, 76099 – Feststellung der Unterbrechung nach § 241: analoge Anwendung des § 252, aber regelmäßig fehlendes Rechtschutzbedürfnis; ThoPu/Hüßtege § 252 Rz 1). Ebenso wenig greift die Vorschrift ein bei einer Aussetzung, die im Zusammenhang mit einem Vorlagebeschluss nach Art 100 GG oder Art 267 AEUV (EuGH) erfolgt, da in diesen Fällen kein rechtlicher, sondern ein tatsächlicher Verfahrensstillstand eintritt (Celle NJW-RR 09; 857; Ddorf BauR 09, 1933; Musielak/Voit/Stadler § 252 Rz 1; aA Pfeiffer NJW 94, 1996). Dies gilt auch, wenn das aussetzende Gericht auf den Ausgang eines anderen bereits vor dem EuGH anhängigen Verfahrens warten will (Celle NJW-RR 09, 857); hier ist eine Aussetzung analog § 148 zulässig (BGH ZIP 12, 1432) und damit § 252 anwendbar. Eine Aussetzung nach § 148 kommt auch bei einer Verfassungsbeschwerde gegen eine vorläufige Entscheidung in Betracht (Saarbr NJW 13, 1013 [OLG Saarbrücken 10.12.2012 - 5 W 422/12]).
Rn 3
Keine Anwendung findet § 252, wenn die Entscheidung über die Aussetzung im Endurt erfolgte. Das Gericht ist nicht verpflichtet, vor der Entscheidung über den Ruhens- oder Aussetzungsantrag zu entscheiden (VG Köln 21.1.14 – 14 K 3986/11; MüKoZPO/Stackmann § 252 Rz 7). Diese Entscheidung kann mit den gewöhnlichen Rechtsmitteln gegen ein Urt angefochten werden, wenn es im Einzelfall zulässig ist (BGH ZIP 13, 848).
Rn 4
Die Vorschrift gilt entsprechend auch für Entscheidungen, die einem Verfahrensstillstand gleich kommen (Hamm FamRZ 08, 703), so zB bei einer Anordnung nach § 364 (Köln NJW 75, 2349), wenn das Gericht ein selbstständiges Beweisverfahren für beendet erklärt (Köln v. 22.6.15, zitiert im OLG Report 50/2015 Anm. 7), bei Ablehnung der Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens (Nürnbg MDR 04, 231), so auch wegen einer zwischenzeitlichen Aussonderung der Akten nach Ablauf der Aussonderungsfristen (Köln FamRZ 03, 689) oder bei einer Tatbestandsberichtigung (Ddorf NJW-RR 04, 1723). Dasselbe gilt bei völliger Untätigkeit des Gerichts über einen längeren Zeitraum, wenn tatsächlich derselbe Zustand wie bei einer Aussetzung herbeigeführt wird; dies folgt aus Art 19 IV GG (Hambg NJW-RR 85, 1022; KG NJW-RR 05, 374 [KG Berlin 22.10.2004 - 18 WF 156/04]; Brandbg MDR 09, 948). Die Möglichkeit einer Beschwerde nach § 252 bei Untätigkeit des Gerichts schließt die Erschöpfung des Rechtsweges – Voraussetzung für eine Verfassungsbeschwerde (§ 90 II 1 BVerfGG) – aus (BVerfG WM 10, 822 [BVerfG 10.03.2010 - 1 BvR 2582/09]). § 252 ist auch entsprechend anwendbar bei einer die Beendigung des Verfahrens feststellenden gerichtlichen Entscheidung (BAG NJW 09, 3471 [BAG 22.04.2009 - 3 AZB 97/08]).
Keine entsprechende Anwendung findet § 252 bei Ablehnung eines Terminverlegungsantrages; diese Entscheidung ist nach § 227 IV 3 unanfechtbar (Frankf NJW 04, 3049 [OLG Koblenz 02.08.2004 - 12 U 587/00]; OLGR Brandbg 09, 506). Dasselbe gilt für die Ablehnung der Zustellung der Klageschrift an einen inländischen Zustellungsbe...