Rn 24
Nicht erhoben werden darf auch ein Beweis, der auf eine unzulässige Ausforschung der anderen Partei gerichtet ist. Dieser sog Ausforschungsbeweis tritt in zwei verschiedenen Erscheinungsformen auf. Zum einen kann ein völlig unsubstantiierter Beweisantritt darauf abzielen, durch die Beweisaufnahme erst beweiserhebliche Tatsachen in Erfahrung zu bringen, die der Beweisführer dann zur Grundlage eines neuen Prozessvorbringens macht. Zu denken ist etwa an die pauschale Behauptung ›erheblicher Mängel‹ bei einem vom Beklagten errichteten Bauwerk mit dem Beweisantritt ›Sachverständigengutachten‹ (vgl LG Köln NZM 99, 404 für Mängel in einer Wohnung). Ein solcher Beweisermittlungsantrag muss nach einhelliger Auffassung als unzulässig zurückgewiesen werden (BGH NJW 84, 2888, 2889 [BGH 12.07.1984 - VII ZR 123/83]; MDR 91, 688 f; Baumgärtel MDR 95, 987; Gremmer MDR 07, 1172, 1173). Eine andere Beurteilung ist nur in Verfahren unter Geltung des Untersuchungsgrundsatzes geboten (R/S/G § 117 Rz 19).
Rn 25
Zum anderen kann ein Ausforschungsbeweis dann vorliegen, wenn eine Partei für das Vorliegen eines bestimmten Umstandes ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich Behauptungen ›aufs Geratewohl‹ oder ›ins Blaue hinein‹ aufstellt (BGH NJW-RR 91, 888, 891 [BGH 04.03.1991 - II ZR 90/90]; NJW 91, 2707, 2709 [BGH 23.04.1991 - X ZR 77/89]; 95, 2111, 2112; NJW-RR 99, 361 [BGH 17.09.1998 - III ZR 174/97]). Bei der Bewertung dieser Beweisangebote als unzulässig ist allerdings Zurückhaltung geboten. Angesichts der zahlreichen aufhebenden Entscheidungen des BGH zu dieser Frage (BGH NJW-RR 96, 1212 f [BGH 12.06.1996 - VIII ZR 251/95]; NJW 01, 2632, 2633 [BGH 29.05.2001 - VI ZR 114/00]; 03, 140, 141 [BGH 12.09.2002 - IX ZR 66/01]; NJW-RR 03, 491 f [BGH 13.12.2002 - V ZR 359/01]; 04, 337, 338 [BGH 27.05.2003 - IX ZR 283/99]; NJW 11, 3291 [BGH 19.05.2011 - VII ZR 24/08]; 12, 382 f [BGH 25.10.2011 - VIII ZR 125/11]; 13, 3180 [BGH 31.07.2013 - VII ZR 59/12]; 19, 76, 77 [BGH 26.04.2018 - VII ZR 139/17] Rz 34) liegt der Verdacht nahe, dass Instanzgerichte zuweilen das Verbot des Ausforschungsbeweises heranziehen, um zeitraubende Beweisaufnahmen zu vermeiden (vgl auch Oberheim Rz 927; Geipel/Prechtel MDR 11, 336f). Der Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 138 I hilft insoweit nicht weiter (so aber noch BGH NJW 68, 1233, 1234), weil dieser Grundsatz nur Behauptungen wider besseres Wissen verbietet. Behauptungen ›auf gut Glück‹ oder ›ins Blaue hinein‹ sind deshalb nur unbeachtlich, wenn die betreffende Partei ihre Unrichtigkeit positiv kennt oder von ihrem Gegenteil überzeugt ist. Dies kann aber oft nur durch eine gerichtliche Überprüfung festgestellt werden. Einer Partei steht es deshalb frei, Tatsachen zu behaupten und unter Beweis zu stellen, die sie nur für wahrscheinlich oder für möglich hält (BGHZ 193, 159, 172 Rz 40 = NJW 12, 2427; BGH NJW-RR 15, 829, 830 Rz 13; BGHZ 216, 245, 255 Rz 33 = VersR 18, 291, 294; ausf Kiethe MDR 03, 1325, 1326 ff; Dölling NJW 13, 3121, 3124f). Die Behauptung von vermuteten Tatsachen kommt va in Betracht bei inneren Tatsachen (BGH NJW 83, 2034, 2035 [BGH 04.05.1983 - VIII ZR 94/82]; Schultz NJW 17, 16, 19), bei Kausalverläufen (BGH NJW 95, 1160f [BGH 10.01.1995 - VI ZR 31/94]) und bei Verhandlungen oder Vereinbarungen zwischen dritten Personen, an denen die beweisführungsbelastete Partei nicht teilgenommen hat (BGH NJW 01, 2327, 2328 [BGH 05.04.2001 - IX ZR 276/98] – Bürge bzgl Vereinbarung zwischen Gläubiger und Hauptschuldner; BGH NJW-RR 02, 1419, 1420 [BGH 20.06.2002 - IX ZR 177/99] – Konkursverwalter bzgl Vereinbarung zw Gläubiger und Gemeinschuldner). Nur ganz ausnahmsweise kann danach ein Beweisantritt unbeachtet bleiben, wenn die entsprechende Behauptung erkennbar ohne jegliche Anhaltspunkte völlig aus der Luft gegriffen ist (BGH NJW-RR 00, 273, 275 [BGH 29.09.1999 - VIII ZR 232/98]; MüKoZPO/Prütting Rz 79). Liegen die Voraussetzungen eines unzulässigen Ausforschungsbeweises vor und hat das Gericht gleichwohl Beweis erhoben, so ist das daraus gewonnene Beweisergebnis verwertbar (BGHZ 166, 283, 289 = NJW 06, 1657, 1659; Brandbg NJW-RR 01, 1727; Peters ZZP 76, 145, 157). Aus dem Beweiserhebungsverbot folgt also nicht ohne weiteres auch ein Verwertungsverbot.