Gesetzestext
(1) Über das Ergebnis der Beweisaufnahme haben die Parteien unter Darlegung des Streitverhältnisses zu verhandeln.
(2) Ist die Beweisaufnahme nicht vor dem Prozessgericht erfolgt, so haben die Parteien ihr Ergebnis auf Grund der Beweisverhandlungen vorzutragen.
A. Zweck.
Rn 1
Die Vorschrift soll gewährleisten, dass die Parteien unmittelbar nach der Beweisaufnahme zum Beweisergebnis Stellung nehmen können. Die Regelung konkretisiert damit den Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (BGH NJW 16, 2890, 2891 [BGH 28.07.2016 - III ZB 127/15] Rz 17 m Anm Manteuffel). Die Parteien haben auf diese Weise die Möglichkeit, auf die endgültige Beweiswürdigung des Gerichts Einfluss zu nehmen, Beweiseinreden zu erheben oder auch neue Beweisanträge zu stellen (BGH MDR 13, 487; NJW 14, 550, 552 Rz 25). Die Wiederholung der bereits gestellten Sachanträge ist dabei nicht erforderlich (BGHZ 63, 94, 95 = NJW 74, 2322), entspricht aber einer in der Praxis üblichen Handhabung (›wiederholen die in der Sitzung vom … gestellten Anträge‹). Geschieht dies nicht, liegt ein Fall der Säumnis nicht vor. Soweit die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, ist ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge getan (BGH NJW 04, 1732 [BGH 12.02.2004 - III ZR 359/02]). Unterbleibt die Gelegenheit zur Erörterung, ist das Beweisergebnis nicht verwertbar (BGH NJW 12, 2354 Rz 12). Unabhängig von einer ausdrücklichen Stellungnahme kann davon ausgegangen werden, dass sich eine Partei die zu ihren Gunsten sprechenden Beweisergebnisse jedenfalls stillschweigend zu Eigen macht (BGH NJW 06, 63, 65 [BGH 26.07.2005 - X ZR 109/03]; NJW-RR 14, 1147, 1149 [BGH 14.01.2014 - VI ZR 340/13]). Eventuelle Zweifel hat das Gericht durch Ausübung des Fragerechts gem § 139 zu klären. Hat die Beweisaufnahme nicht vor dem Prozessgericht stattgefunden, soll § 285 II zumindest für das Beweisergebnis die Geltung der Grundsätze über die Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme sicherstellen (MüKoZPO/Prütting Rz 1). Ferner lässt sich aus dieser Vorschrift der Schluss ziehen, dass beweisrechtliche Geheimverfahren mit dem geltenden Zivilprozessrecht nicht zu vereinbaren sind (Rn 5 ff, 7).
B. Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht (Abs 1).
Rn 2
Hat die Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht stattgefunden, schließt sich die Verhandlung über das Beweisergebnis unmittelbar an (§ 279 III). Der Beweistermin ist deshalb gleichzeitig Verhandlungstermin (§ 370 I). Das Gericht ist allerdings grds nicht verpflichtet, den Parteien im Rahmen dieser Verhandlung seine vorläufige Beweiswürdigung mitzuteilen (BGH NJW 16, 3100, 3103 [BGH 15.04.2016 - V ZR 42/15] Rz 33 m Anm Tolani; BGH MDR 18, 1209 [BGH 27.03.2018 - X ZB 11/17] Rz 5; s dazu auch Greger MDR 16, 1057 ff). Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine entsprechende Mitteilung zur Vermeidung einer nach Art 103 GG unzulässigen Überraschungsentscheidung erforderlich ist. Der Anspruch der Parteien auf sachgerechte Gewährung des rechtlichen Gehörs kann es im Einzelfall auch gebieten, den Parteien Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zum Beweisergebnis einzuräumen. Dies ist etwa notwendig bei einem mündlich erstatteten Gutachten im Arzthaftungsprozess über schwierige medizinische Fragen, um einer medizinisch nicht sachkundigen Partei die Möglichkeit zu geben, sich anderweitig sachverständig beraten zu lassen (BGH NJW 88, 2802 f [BGH 19.04.1988 - VI ZR 96/87]; MDR 18, 1014 = Bespr Schwenker MDR 18, 1425; anders aber, wenn das schriftliche Gutachten rechtzeitig vor dem Beweistermin vorlag und die mündliche Erläuterung keine neuen Aspekte hat zutage treten lassen, BGH NJW 91, 1547, 1548). Darüber hinaus gilt dies immer dann, wenn von einer Partei nach einer Beweisaufnahme oder einem gerichtlichen Hinweis eine umfassende sofortige Stellungnahme nicht erwartet werden kann (BVerfGE 64, 203, 206 = NJW 83, 2492; BGHZ 219, 77, 85 Rz 26, 28 = MDR 18, 1141, 1142; BGH NJW 18, 3316, 3317 Rz 8 = MedR 19, 144 m Anm Prütting; BGH NJW-RR 21, 249, 250 [BGH 26.01.2021 - VI ZR 1304/20] Rz 14). Erbringt die Beweisaufnahme ein völlig überraschendes Ergebnis, ist dem allein erschienenen Anwalt ebenfalls Gelegenheit zur Rücksprache mit seiner Partei und zur schriftlichen Stellungnahme zu geben (Kobl NJW-RR 91, 1087, 1088 [OLG Koblenz 21.06.1990 - 5 U 86/90]). Ein darauf beruhendes neues Beweisangebot darf dann nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden (BGH NJW 14, 550, 552 [BGH 25.10.2013 - V ZR 147/12] Rz 25). Ansonsten ermöglicht ein Schriftsatznachlass zur Beweiswürdigung allerdings nicht die Einführung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel (Ddorf NJW-RR 18, 1109, 1111 [OLG Düsseldorf 12.04.2018 - I-5 U 50/16] Rz 38). Das Gericht muss jedoch den Vortrag zum Beweisergebnis berücksichtigen und sich mit ihm auseinandersetzen (BGH MDR 19, 1081 Rz 8). Im Einzelfall kann auch eine Vertagung notwendig sein, etwa nach der umfassenden Erörterung eines Sachverständigengutachtens (BGH NJW 11, 3040 [BGH 28.07.2011 - VII ZR 184/09] Rz 6) oder wenn der Sachverständige in seinen mündlichen Ausführungen neue und au...