Rn 3

§ 29 I ist als besondere Gerichtsstandsregelung neben den allg oder besonderen Gerichtsständen (zB dem besonderen Gerichtsstand des Zahlungsortes bei Wechsel- und Scheckklagen, §§ 603, 605a) anwendbar und wird durch ausschl Gerichtsstände verdrängt, so etwa durch §§ 29a, 29c, § 1005 (s näher § 12 Rn 5, 8). Er gilt für alle Personen. Die Zuständigkeit nach § 29 I besteht unabhängig davon, ob aus originärem oder abgeleitetem Recht geklagt wird (vgl Zö/Schultzky Rz 7; Musielak/Heinrich Rz 3; für die Gesamtrechtsnachfolge s.a. BayObLG NJW-RR 06, 15, 16 [BayObLG 04.08.2005 - 1 Z AR 145/05]; Karlsr 21.4.16 – 209 AR 2/16; vgl auch § 27). Sie gilt auch für den begünstigten Dritten aus einem Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB (Musielak/Heinrich Rz 3; MüKoZPO/Patzina Rz 11).

1. Vertragsverhältnis.

a) Schuldrechtliche Verpflichtungsverträge.

 

Rn 4

Das Erfordernis ›aus einem Vertragsverhältnis‹ ist weit auszulegen und schon dann erfüllt, wenn die Streitigkeit im Zusammenhang mit einem Vertrag steht und aus dem Vertragsverhältnis herrührt (BGHZ 188, 85 Tz 26 mwN). Deshalb werden von § 29 nicht nur alle Ansprüche aus schuldrechtlichen Verpflichtungsverträgen erfasst (BGHZ 132, 105, 109), sondern auch gesetzliche Ansprüche auf vertraglicher Grundlage (BGHZ 188, 85 Tz 26). § 29 gilt auch bei öffentlich-rechtlichen Verträgen, bei denen allerdings grds der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I VwGO eröffnet ist (vgl Zö/Schultzky Rz 5; Musielak/Heinrich Rz 3). Da auch der Auseinandersetzungsvertrag bei der Erbengemeinschaft eine schuldrechtliche Verpflichtung enthält, die klageweise durchgesetzt werden kann (vgl nur Palandt/Edenhofer § 2042 Rz 10, 18f), ist § 29 neben § 27 anwendbar (vgl St/J/Roth Rz 8; Musielak/Heinrich Rz 6; aA Zö/Schultzky Rz 11; s.a. Rn 10).

b) Vertragsähnliche Sonderbeziehungen.

 

Rn 5

Nach allgM gilt § 29 jedenfalls in analoger Anwendung auch für vertragsähnliche Sonderbeziehungen (vgl KGR 05, 723 f; Zö/Schultzky Rz 6; Musielak/Heinrich Rz 4). Eine solche vertragsähnliche Sonderbeziehung wird angenommen bei der culpa in contrahendo, was nunmehr auch durch die gesetzliche Regelung in den §§ 311 II, 241 II BGB bestätigt wird (hM; BayObLG VersR 85, 741, 743; NJW-RR 03, 1503 [LG Bonn 05.08.2003 - 15 O 75/03]; München VersR 09, 1382 f [BGH 30.04.2008 - III ZR 202/07]; Zö/Schultzky Rz 6; St/J/Roth Rz 5, 18; MüKoZPO/Patzina Rz 11; ThoPu/Hüßtege Rz 4; Musielak/Heinrich Rz 4), bei der Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht nach § 179 I BGB (Hambg MDR 75, 227; ThoPu/Hüßtege Rz 3; Zö/Schultzky Rz 6; Musielak/Heinrich Rz 4), bei der Haftung nach § 128 HGB, was auch für die GbR gilt (vgl BayObLG MDR 02, 1360 [BayObLG 09.09.2002 - 1 Z AR 116/02]; Schlesw BB 04, 462 f; Hamm 11.6.19 – 32 SA 32/19; Musielak/Heinrich Rz 5; Zö/Schultzky Rz 6, 25 ›Handelsgesellschaft und GbR‹), nach § 130a Abs 1 u Abs 2 S 1 HGB (BGH WM 19, 1649) und nach den §§ 161, 171 HGB (BayObLGZ 80, 13 ff; Schlesw BB 04, 462 f [OLG Schleswig 11.08.2003 - 2 W 128/03]; Hamm 11.6.19 – 32 SA 32/19; Bork NJW 18, 2985, 2986), bei der Organhaftung nach den §§ 93 II, 116 AktG (München ZIP 17, 235), § 43 II GmbHG (BGH NJW-RR 02, 800 f; WM 19, 1649) und § 64 S 1 GmbHG (BGH WM 19, 1649 [BGH 06.08.2019 - X ARZ 317/19]) sowie §§ 34, 41 GenG (Musielak/Heinrich Rz 5), bei der Haftung nach § 54 S 2 BGB (Musielak/Heinrich Rz 5; St/J/Roth Rz 15), § 11 II GmbHG und 41 I 2 AktG (Musielak/Heinrich Rz 5). Eine vertragsähnliche Sonderbeziehung liegt darüber hinaus bei Streitigkeiten aus dem Verhältnis der Wohnungseigentümer (§§ 10 I, 13 ff WEG; Stuttg OLGR 00, 191 f; Musielak/Heinrich Rz 5), aus dem Gemeinschaftsverhältnis nach den §§ 741 ff BGB (Musielak/Heinrich Rz 5) und beim Gesamtschuldnerausgleichsanspruch nach § 426 BGB vor (s Rn 14 ›Gesamtschuld‹). Zu den vertragsähnlichen Sonderbeziehungen lassen sich auch die Rückabwicklungsverhältnisse aus Vertrag zählen (vgl BGHZ 132, 105, 110; Saarbr NJW 05, 906, 907; BayObLG NJW-RR 02, 1502, 1503), so bei Rücktritt oder Widerruf (vgl Hamm 14.12.16 – 31 U 257/15; Zö/Schultzky Rz 6; s.a. § 29c). Umstritten ist, ob § 29 auch bei der Leistungskondiktion (§ 812 I 1 BGB) anwendbar ist. Mit einer stark im Vordringen befindlichen Meinung ist davon auszugehen, dass aufgrund des engen rechtlichen Bezugs zu einem Vertragsverhältnis bei Ansprüchen aus Leistungskondiktion wegen nichtigen Vertrages ein Unterschied zu den Fällen des gesetzlichen bzw vertraglichen Rücktritts nur schwer begründet werden kann (vgl Frankf 16.1.17 – 13 SV 18/16; Musielak/Heinrich Rz 7; Zö/Schultzky Rz 6a; St/J/Roth Rz 6; vgl auch Saarbr NJW 05, 906, 907; aA BGH MDR 62, 399, 400; BGHZ 132, 105, 110; Dresd 5.11.20 – 8 U 1084/20; B/L/H/A/G Rz 4 ›Vertragsanfechtung‹). Dies muss für alle Fälle der Leistungskondiktion gelten, also nicht nur die Fälle des § 812 I 1 Alt 1 BGB, sondern auch für § 812 I 2 Alt 1 BGB; denn auch im Fall des späteren Wegfalls des rechtlichen Grundes ist die enge rechtliche Beziehung zu dem Vertragsverhältnis evident. Deshalb muss § 29 zB bei Rückabwicklungsverhältnissen nach Eintritt einer auflösenden Bedingung Anwendung finden. Dasselbe gilt i...

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