Gesetzestext
1Der Widerruf hat auf die Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses nur dann Einfluss, wenn die widerrufende Partei beweist, dass das Geständnis der Wahrheit nicht entspreche und durch einen Irrtum veranlasst sei. 2In diesem Fall verliert das Geständnis seine Wirksamkeit.
A. Zweck.
Rn 1
Die Vorschrift stellt klar, dass der Widerruf eines Geständnisses nur unter den dort genannten engen Voraussetzungen möglich ist. Da es sich um eine Prozesshandlung handelt, kommt die Möglichkeit einer Anfechtung des Geständnisses nach §§ 119 ff BGB von vornherein nicht in Betracht. § 290 betrifft nur das gerichtliche Geständnis. Ein außergerichtliches Geständnis (§ 288 Rn 2) kann ohne weiteres widerrufen werden. Das Gleiche gilt für ein vorweggenommenes Geständnis, solange es nicht bindend geworden ist (§ 288 Rn 1). Hat der Prozessbevollmächtigte oder der Beistand das Geständnis abgegeben, so kann es die anwesende Partei gem § 85 I 2 bzw § 90 II unabhängig von den Voraussetzungen des § 290 widerrufen. Möglich ist ferner ein Widerruf des Geständnisses mit Einverständnis des Gegners, was aber in der Praxis kaum vorkommen dürfte. Keine entsprechende Anwendung kann § 290 auf ein Anerkenntnis iSd § 307 (BGHZ 80, 389, 393 = NJW 81, 2193, 2194) und einen Klageverzicht gem § 306 finden.
B. Voraussetzungen.
Rn 2
Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 290 ergibt, trägt die widerrufende Partei die volle Beweislast für die Unwahrheit der zugestandenen Tatsache. Ansonsten nach materiellem Recht bestehende Beweiserleichterungen kommen ihr dabei nicht zugute (Frankf MDR 82, 329). Sie muss ferner beweisen, dass das unwahre Geständnis durch einen Irrtum veranlasst worden ist. Irrtum ist die unbewusste Unkenntnis des wirklichen Sachverhalts (Zö/Greger Rz 2). Gleichgültig ist dabei die Art des Irrtums, dh Rechts- oder Tatsachenirrtum, entschuldbar oder verschuldet (BGH MDR 05, 834, 835 [BGH 13.01.2005 - IX ZR 457/00]). Unbeachtlich ist lediglich ein Motivirrtum, weil es allein auf die Wahrheit der zugestandenen Tatsache ankommt (MüKoZPO/Prütting Rz 5; Zö/Greger Rz 2; aA Ddorf OLGR 01, 249; Jäckel Rz 388 mwN). Macht der Widerrufene geltend, dass sein Geständnis auf Verständigungsschwierigkeiten beruht, so hat er neben der Unwahrheit des Geständnisses auch zu beweisen, dass es auf seinen mangelnden Sprachkenntnissen zurückzuführen ist (BGH FamRZ 05, 1667, 1669).
Rn 3
Da es schon begrifflich an einem Irrtum fehlt, kann ein bewusst unwahres Geständnis nicht widerrufen werden (BGHZ 37, 154, 155 = NJW 62, 1395). Das Gleiche gilt, wenn die gestehende Partei keine Kenntnis von der Wahrheit oder Unwahrheit der zugestandenen Tatsache hat und damit das Risiko der Unwahrheit bewusst in Kauf nimmt (BGH NJW 11, 2794, 2795 [BGH 31.05.2011 - XI ZR 369/08]; Saarbr MDR 02, 109). Maßgebend ist in entsprechender Anwendung des § 166 BGB stets der Irrtum desjenigen, der das Geständnis abgegeben hat. Dies kann die Partei sein, ihr gesetzlicher Vertreter oder auch ihr Prozessbevollmächtigter. Soweit der Prozessbevollmächtigte auf Weisung seiner Partei gestanden hat, gilt § 166 II BGB entsprechend (RGZ 146, 348, 352). Der widerrufende Streithelfer muss den Irrtum der gestehenden Partei beweisen (Celle BauR 96, 263).
C. Rechtsfolge.
Rn 4
Die Rechtsfolge des Widerrufs besteht darin, dass die Wirkungen des Geständnisses ex tunc entfallen (S 2). Die Beweisbedürftigkeit der betreffenden Tatsache lebt also wieder auf mit der Folge, dass die ursprüngliche Beweislastverteilung wieder eingreift. Eine Verwertung des Geständnisses als Indiz iRd Beweisführung kommt nicht in Betracht.