Rn 11
§ 48 II GKG stellt auf die Umstände des Einzelfalls ab und führt als Bewertungskriterien nur beispielhaft den Umfang und die Bedeutung der Sache sowie die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien auf. Wegen der offenen Fassung der Norm ist jeder Gesichtspunkt zu verwerten, der Bezug zur Wertfestsetzung hat (BVerfG JurBüro 90, 248; Hartmann/Touissant/Laube § 48 GKG Rz 20 ff). Der Umfang der Sache hat nur dann eigenständiges Gewicht, wenn er bei ordnungsgemäßer Bearbeitung nach oben aus dem Rahmen fällt oder wenn er deutlich unter den durchschnittlichen Anforderungen vergleichbarer Sachen liegt (Ddorf AnwBl 86, 250; FamRZ 91, 1079; Kobl JurBüro 99, 475). Hierbei sind der Sachvortrag, die notwendige Anzahl von Terminen und der Aufwand in der Beweisaufnahme mit zu berücksichtigen. Ein außergewöhnlicher Umfang kann bei der Anwendung ausländischen Rechts vorliegen, wenn hiermit besonderer Aufwand einhergeht (Stuttg FamRZ 99, 604; Karlsr FamRZ 07, 751). Eine besondere oder herabgesetzte Bedeutung kann sich sowohl aus der individuellen Lage der Parteien als auch aus Belangen der Allgemeinheit ergeben (in letzterem aA Musielak/Heinrich § 3 Rz 16). Zu berücksichtigen sind etwa die existenzielle Bedeutung der Sache für die Partei (Schlesw JurBüro 02, 316) und die Stellung einer Partei im öffentlichen Leben (LAG Rostock MDR 01, 337). Die Reichweite des Klageziels kann ebenfalls von Gewicht sein (LG Oldenburg JurBüro 95, 369: Widerruf höher zu bewerten als Unterlassung). Ein Musterprozess ist bei einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit allerdings nur dann höher zu bewerten, wenn gleichzeitig Belange der Allgemeinheit berührt sind; andernfalls bleibt es bei der alleinigen Berücksichtigung des Klägerinteresses (Rn 4; iE str Musielak/Heinrich § 3 Rz 16; Anders/Gehle/Kunze Stichwort ›Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten‹ Rz 4; für den vermögensrechtlichen Streit vgl Rn 5).
Insgesamt ist bei der Verwertung der Besonderheiten des Einzelfalls Zurückhaltung geboten, weil andernfalls entgegen dem Gebot praktischer Konkordanz (Rn 10) ZuS- und GeS auseinanderfallen können; es sollte nur das berücksichtigt werden, was iRe anfänglichen Prognose erfasst werden kann.
Rn 12
Die in § 48 II GKG aufgeführten Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien müssen nach dem Wortlaut der Norm generell und damit auch in Nicht-Familiensachen berücksichtigt werden, in denen sie meist per se Bedeutung haben. Andererseits ist die Aufklärung solcher Umstände außerhalb des Familienrechts kaum zu verwirklichen und daher nicht praxisgerecht. Teilweise wird daher ihre allg Berücksichtigung abgelehnt (Zö/Herget § 3 Rz 16.121 Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten; für Berücksichtigung Musielak/Heinrich § 3 Rz 17). Erhebliches Gewicht kann der Gesichtspunkt nur dann haben, wenn die wirtschaftliche Lage der Parteien offensichtlich in erheblichem Umfang von den durchschnittlichen Gegebenheiten abweicht. Bei weit überdurchschnittlichen Verhältnissen spricht hierfür auch der Gesichtspunkt der Kostengerechtigkeit (Rn 3).