Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 5
Bei einer objektiven oder subjektiven Klagenhäufung (Abs 1 S 1 Var 1) sowie bei Klage und Widerklage (Abs 1 S 1 Var 3) ist die Teilbarkeit des Rechtsstreits und die Abtrennbarkeit des jeweiligen Streitgegenstands von den anderen Streitgegenständen eo ipso gegeben, da die Beurteilung als eigener Streitgegenstand einen eigenen Antrag und/oder Lebenssachverhalt voraussetzt. Das Teilurteil muss aber deutlich werden lassen, über welchen der Streitgegenstände entschieden worden ist, andernfalls fehlt es an der erforderlichen Bestimmtheit. Die Teilbarkeit fehlt auch dann nicht, wenn die Entscheidung über die restlichen Streitgegenstände von derselben Rechtsfrage abhängt oder die jeweiligen Ansprüche sonst materiell ›verzahnt‹ sind (Rn 11; BGH NJW 04, 1662, 1664 f [BGH 28.11.2003 - V ZR 123/03]; NJW 07, 156, 157 [BGH 07.11.2006 - X ZR 149/04]). Hier besteht ggf nur die Gefahr der Widersprüchlichkeit der Entscheidungen (Rn 9; vgl auch BGH NJW 11, 1815, 1816 [BGH 29.03.2011 - VI ZR 117/10] Tz 15), ebenso trotz Selbstständigkeit mehrerer Klageforderungen im Falle wechselseitiger Aufrechnungen der Parteien (zu einem solchen Fall BGH NJW 00, 958, 960 [BGH 27.10.1999 - VIII ZR 184/98]).
Die Trennbarkeit des Streitgegenstands ist auch bei subjektiver Klagenhäufung im Falle der einfachen Streitgenossenschaft (§ 59) zu bejahen; zur Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen aber unten Rn 9 (BGH NJW 04, 1452 [BGH 25.11.2003 - VI ZR 8/03]). Die Abgrenzbarkeit besteht auch bei Gesamtschuldnern (aA KG MDR 05, 291 [KG Berlin 16.08.2004 - 12 U 105/03]), da die spätere Verurteilung des anderen Gesamtschuldners ›als Gesamtschuldner‹ keinen Widerspruch zu der ohne diesen Zusatz erfolgten Verurteilung des ersten Gesamtschuldners im vorangegangenen Teilurteil bedeutet. Bei notwendiger Streitgenossenschaft soll es grds an der Teilbarkeit fehlen (BGH NJW 99, 1638, 1639 [BGH 01.03.1999 - II ZR 305/97]). Richtig ist das für die materiell-rechtlich notwendige Streitgenossenschaft; demgegenüber müsste ein Teilurteil bei prozessual notwendiger Streitgenossenschaft erst an der Entscheidungsreife und/oder an der fehlenden Unabhängigkeit des Teilurteils scheitern, was aber eine akademische Frage ohne Auswirkung auf das Ergebnis ist. An der Teilbarkeit fehlt es nicht, wenn die übrigen notwendigen Streitgenossen erklärt haben, zur eingeklagten Leistung verpflichtet und bereit zu sein (BGH NJW 62, 1722, 1723 [BGH 08.06.1962 - V ZR 171/61]; ThoPu/Reichold § 301 Rz 2). Bei notwendiger Streitgenossenschaft kann ein Teilurteil außerdem zulässig sein, wenn das Verfahren gegen einen Streitgenossen wegen Insolvenzverfahrens (§ 240) oder durch Tod (§ 239) unterbrochen wird (BGHZ 148, 214, 216; BGH NJW 07, 156, 157 mwN, NZI 10, 901, Tz 14 f; NZM 12, 417, 418 Tz 15; GRUR 15, 1201 Tz 29; Hamm 24.2.10, 8 U 118/08, BeckRS 10, 11531); die Gefahr der Widersprüchlichkeit zum Schlussurteil (Rn 9) tritt hinter den Beschleunigungszweck des § 301 ausnahmsweise zurück. Das gilt erst recht bei einfachen Streitgenossen (BGH NJW-RR 03, 1002 f [BGH 19.12.2002 - VII ZR 176/02]; NJW 11, 2736 [BGH 11.05.2011 - VIII ZR 42/10] Tz 17), nicht aber bei Aussetzung nach § 148 (BGH GRUR 15, 1201 [BGH 23.09.2015 - I ZR 78/14] Tz 30) oder § 149 (Dresd 9.2.12, 8 U 1128/11, BeckRS 12, 07007) und nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (Hamm NZI 12, 680, 681). Entscheidend ist aber auch in diesen Fällen, dass grds die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist (BGH NJW-RR 13, 683 [BGH 27.03.2013 - III ZR 367/12] Tz 12, 16). Hinsichtlich solcher Ansprüche, die nicht vom Insolvenzverfahren erfasst sind, kommt auch eine Verfahrensabtrennung in Betracht (Karlsr NJW-RR 06, 1302, 1303). Über diesen Teil (zB Anspruch auf künftigen Unterhalt), hinsichtlich dessen das Verfahren fortgeht, ist dann auch ein Teilurteil zulässig (Hamm FamRZ 05, 279, 280: sog vertikales, zeitabschnittsweises Teilurteil). Ein Teilurteil über die ersten Stufen einer Stufenwiderklage soll wegen der Eigenart der Stufenklage auch möglich sein, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch und die mit der Stufenwiderklage geltend gemachten Ansprüche auf dasselbe Rechtsverhältnis gerichtet sind und von denselben Vorfragen abhängen (BGH MDR 10, 944, 945 = NJW-RR 11, 189 [BGH 16.06.2010 - VIII ZR 62/09] Tz 24 ff). Die Gefahr einander widersprechender Teilurteile über die auf den einzelnen Stufen einer Stufenklage geltend gemachten Ansprüche wird hingenommen (BGH NJW 11, 1815, 1817 [BGH 29.03.2011 - VI ZR 117/10] Tz. 17). Das gilt auch für die Klagehäufung bei Auskunftsanspruch und Schadensersatzanspruch nach §§ 84, 84a AMG (BGH aaO). Allerdings können eine bezifferte Schadensersatzklage und eine weitere Stufenklage auch von gemeinsamen Vorfragen abhängen (so bei Köln GRUR-RS 18, 10856).