Rn 17

Fehlt es bei einem einheitlichen Streitgegenstand (Abs 1 S 1 Var 2) an der Unabhängigkeit des Teil- vom Schlussurteil, kann ein Teilurteil gleichwohl ergehen, wenn es mit einem Grundurteil iSd § 304 über den Rest verbunden wird (BGH NJW 01, 760, 761 [BGH 05.12.2000 - VI ZR 275/99]). Die Verbindung mit dem Grundurteil ist das ›Gegengift‹ für die drohende Widersprüchlichkeit, aber nur für diese. Ist der jeweilige Anspruchsteil nicht individualisierbar und abgrenzbar, ist der Weg über Abs 1 S 2 versperrt. Abs 1 S 2 erfasst nur den Fall des einheitlichen Streitgegenstands (Abs 1 S 1 Var 2, BGH NJW-RR 12, 101 [BGH 09.11.2011 - IV ZR 171/10]; Frankf r+s 19, 151 = BeckRS 18, 38101 Rz 18), grds aber nicht den Fall mehrerer Streitgegenstände (Abs 1 S 1 Var 1) und der Kombination von Klage und Widerklage (Abs 1 S 1 Var 3) (BGH NJW 04, 1662, 1665 [BGH 28.11.2003 - V ZR 123/03]). Auch für § 301 kommt es deshalb darauf an, sauber zwischen einheitlichem Anspruch und Streitgegenstandshäufung iSd § 260 mit mehreren Anträgen oder Lebenssachverhalten zu unterscheiden; zum Streitgegenstandsbegriff, Rn 2. Die Voraussetzungen des § 304 sind für den Erlass des Grundurteils nicht entbehrlich: Der Anspruch muss nach Grund und Höhe streitig sein, wobei nur bezüglich eines abtrennbaren Teils volle Entscheidungsreife besteht, während in Bezug auf den Rest die Voraussetzungen für das Grundurteil vorliegen müssen (BGH NJW 04, 949). Es scheidet also aus, wenn insgesamt Entscheidungsreife besteht (Brandbg NJW-RR 17, 399 Tz 20). Ist der Haftungsgrund unstr, kann nach Auffassung des BGH gleichwohl eine Divergenzgefahr wegen späteren Streitigwerdens im Instanzenzug bestehen; das sollte für die Annahme eines streitigen Grundes iSd §§ 301, 304 ausreichen (so auch KG NZBau 19, 590 Rz 14 f; Zö/Feskorn Rz 17; zum Problem Schmitz NJW 00, 3622, 3623 [BGH 30.11.1999 - VI ZR 219/98]); anders bei Anerkenntnis oder Geständnis (§ 288). Die Entscheidung als Teil- und Grundurteil muss nicht ausdrücklich in Tenor oder Rubrum zum Ausdruck kommen, wohl aber in den Gründen (BGH NJW 04, 949). Es kann Berichtigung nach § 319 verlangt werden (BGH NJW 04, 949 [BGH 02.12.2003 - VI ZR 349/02]). Abs 1 S 2 ermöglicht daher eine Zuerkennung eines Mindestschadens bei gleichzeitigem Grundurteil über den Rest (BGH NJW 96, 1478 [BGH 23.01.1996 - VI ZR 387/94]); die Beweisaufnahme über die Höhe des weitergehenden Schadens bleibt dem weiteren Verfahren vorbehalten.

Dem Fall des Abs 1 S 2 gleichzustellen ist eine Verbindung eines bezifferten Leistungsantrags mit einem Feststellungsantrag bei einheitlichem Lebenssachverhalt. Hier muss das Teilgrundurteil über den Leistungsantrag mit der Entscheidung über den Feststellungsantrag verbunden werden (Jena OLGR Jena 09, 545; Saarbr OLGR Saarbr 04, 414). Ein umfassendes Grundurteil kann nicht ergehen, wenn der Kl mit einer Leistungsklage auf bezifferten Schadensersatz zugleich den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz eines weitergehenden Schadens verbunden hat (BGH NJW 09, 2814, 2815 Tz 10 mwN; München 22.5.12, 13 U 4138/11, BeckRS 12, 11256). Dies folgt bereits daraus, dass über einen Feststellungsantrag nicht durch Grundurteil entschieden werden kann. Entscheidet ein Gericht in dieser Konstellation nicht zugleich durch (Teil-)Endurteil über den Feststellungsantrag, handelt es sich insofern nicht um ein reines Grundurteil, sondern um ein Grund- und Teilurteil. Dieses ist als Teilurteil dann unzulässig, wenn mit ihm die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen verbunden ist (BGH NJW 09, 2814, 2815 [BGH 22.07.2009 - XII ZR 77/06] Tz 10f). Ist der Leistungsantrag auch in der Höhe entscheidungsreif (zB wegen § 287), muss Endurteil iSd § 300 ergehen. Ebenso gilt Abs 1 S 2 entsprechend, wenn der Betrag einer zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung den Betrag der einheitlichen Klageforderung nicht erreicht. Über den überschießenden Teil der Klageforderung darf ein Teilurteil nur ergehen, wenn über den die Aufrechnung betreffenden Teil ein Vorbehaltsurteil (§ 302) erlassen wird (BGH NJW 96, 395).

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