Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 12
Das Vorbehaltsurteil teilt den Rechtsstreit in zwei Teile. In Betreff der Aufrechnung bleibt der Rechtsstreit in derselben Instanz anhängig, Abs 4 S 1, sog Nachverfahren. Das Vorbehaltsurteil hat die Wirkung eines selbstständigen Endurteils, Abs 3, es wird aber nicht materiell rechtskräftig. §§ 707, 719 gelten für die Vollstreckung entsprechend, ebenso § 715 (RGZ 47, 364, 365 f: Rückgabe der Sicherheit nach Rechtskraft des Vorbehaltsurteils). Das Gericht ist an die Entscheidung nach Maßgabe des § 318 auch vor Rechtskraft gebunden (BGH NJW 68, 2244; NJW 76, 330), was aber dessen Aufhebung im Nachverfahren gerade nicht ausschließt. Die Bindung umfasst die Zulässigkeit und die Begründetheit der Klage (abgesehen von der Aufrechnung). Sie soll aber auch die Zulässigkeit der Aufrechnung erfassen, jedenfalls soweit das Gericht im Urt die Zulässigkeit der Aufrechnung bejaht hat (so BGH NJW 79, 1046) – das lässt sich unter § 318 (nur) begründen, wenn man in der Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechnung oder in der Aufnahme des Vorbehalts eine ›Entscheidung‹ erkennt, die dann richtigerweise auch die weiteren Prüfungspunkte von oben Rn 3 ff einschließt. Keine Bindung an die bejahte Prozessführungsbefugnis soll bestehen, wenn dem Gericht erst im Nachverfahren bekannt wird, dass eine Partei wegen eines Insolvenzverfahrens überhaupt nicht mehr prozessführungsbefugt war (Jena ZInsO 10, 256 = OLGR 09, 750).
Rn 13
Hat das Gericht fälschlicherweise nicht alle Aufrechnungshindernisse geprüft, stellt dies die Bindung in toto nicht grds in Frage (BGHZ 35, 248, 252; ThoPu/Reichold Rz 7; aA wohl BGHZ 25, 360, 366), sondern macht das Vorbehaltsurteil verfahrensfehlerhaft und mit Rechtsmitteln angreifbar (Karlsr NJW-RR 87, 254). Der Umfang der Bindung soll sich dann aber auf diejenigen Aufrechnungshindernisse beschränken, über die das Gericht entscheiden wollte (BGHZ 35, 248, 253). In der Bindung des § 318 liegt die Beschwer für den Kl; er ist rechtsmittelbefugt (BGHZ 35, 248, 249f). Der Beklagte ist nicht beschwert, wenn trotz Bestehens von Aufrechnungshindernissen ein Vorbehaltsurteil und nicht Endurteil iSd § 300 ergangen ist (BGHZ 25, 360, 366). Mit dem Rechtsmittel kann die Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Klage ebenso geltend gemacht werden wie die Unzulässigkeit des Vorbehaltsurteils; nicht aber ein Vorbringen oder Einwände zum Bestehen der Gegenforderung selbst. Das Rechtsmittelgericht prüft die Ausübung des Ermessens auf Ermessensfehler, Rn 9. Dazu gehört die Unzweckmäßigkeit als solche nicht (BGH WM 65, 827, 828). War das Vorbehaltsurteil unzulässig, kann das Berufungsgericht das Vorbehaltsurteil aufheben und zurückverweisen oder es kann und ggf muss selbst über die Aufrechnung entscheiden (§ 538 I, II Nr 1; BGH ZZP 67, 302, 305; für § 538 II Nr 7 analog Hamm BauR 05, 1344, 1346). Das entspricht dem ›Hinaufholen‹ beim Teilurteil (§ 301 Rn 22), ist beim Vorbehaltsurteil aber wegen der Zwitterstellung zwischen End- und Zwischenurteil weniger bedenklich. Hebt das Rechtsmittelgericht das Vorbehaltsurteil auf und weist die Klage ab, wird das Nachverfahren hinfällig; der Rechtsstreit ist dann umfassend erledigt. Ein bereits erlassenes Schlussurteil verliert seine Wirkung, wenn das noch anfechtbare Vorbehaltsurteil im Instanzenzug aufgehoben wird, da ein aufgehobenes Urt nicht für vorbehaltlos erklärt werden kann. Eines Einstellungsbeschlusses oä im Nachverfahren bedarf es nicht.