Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 6
Der Streit muss sich kumulativ auf Grund und Höhe beziehen. Der Grund iSd § 304 ist enger als der Klagegrund (= Lebenssachverhalt) des §§ 253 II Nr 2, 264, reicht aber über den materiell-rechtlichen Anspruch hinaus. Die Abgrenzung kann nur durch fallweise Zuordnung des jeweiligen Prozessstoffes erfolgen (unten Rn 10). Ist nur die Höhe der Forderung oder nur der Anspruchsgrund bestritten, darf kein Grundurteil ergehen, so bei unstreitiger Haftung im Verkehrsunfallprozess (BGH NJW-RR 89, 1149 [BGH 10.01.1989 - VI ZR 43/88]) – das Grundurteil wäre weitgehend sinnlos, da sich der Streitstoff ohnehin bereits auf den Betrag beschränkt. Will der Kl insoweit Klarheit, muss er Feststellungsantrag stellen. Ein ›Anerkenntnis-Grundurteil‹ darf es deshalb nicht geben (aA LG Mannheim MDR 92, 898, 899 [LG Mannheim 25.06.1992 - 5 O 567/91]); ein ›Anerkenntnis‹ nur über den Grund eines bezifferten Anspruchs ist kein Anerkenntnis iSd § 307 (§ 307 Rn 6 f). Ein VU gegen den Beklagten kann sich wegen der Geständnisfiktion des § 331 I 1 nicht in der Entscheidung über den Grund erschöpfen. Kein Grundurteil kann auch ergehen, sofern nur die Zulässigkeit der Klage in Streit steht (BGH NJW 92, 2487 [BGH 14.05.1992 - IX ZR 241/91]). Bei einer Schiedsgutachtenabrede über die Höhe des Anspruchs darf bis zur Vorlage des Gutachtens kein Grundurteil ergehen, da bei fehlender Vorlage die Klage insgesamt als ›zur Zeit unbegründet‹ gilt (BGH NJW-RR 88, 1405; ThoPu/Reichold Rz 4).
Rn 7
Der Streit über den Grund muss bereits, der Streit über den Betrag darf noch nicht entscheidungsreif sein. Eine Entscheidungsreife über den Grund besteht erst, wenn sämtliche zur Feststellung des Grunds zugehörigen Fragen erledigt werden (BGH NJW-RR 07, 305, 306 [BGH 09.11.2006 - VII ZR 151/05]; 05, 1008, 1009 [BGH 07.03.2005 - II ZR 144/03]; NJW 16, 3244 Tz 26; NZBau 16, 759 [BGH 08.09.2016 - VII ZR 168/15] Tz 21; stRspr); das Bestehen des Anspruchs darf nicht offen bleiben; daher ist ein Grundurteil vor Klärung der Schlüssigkeit der Klage nicht gestattet (BGH NJW-RR 08, 1397 Tz 10, 12). Steht bereits ein bezifferbarer Teil einer einheitlichen Forderung dem Betrage nach fest, ist nach § 301 I 2 zu verfahren (Teilendurteil in Verbindung mit Grundurteil über den Gesamtanspruch). Wenn das Berufungsgericht eine Frage durch Beweisaufnahme zum Gegenstand des Grundverfahrens macht, darf es sie im Grundurteil nicht ungeklärt lassen (BGH NJW 16, 3244 [BGH 28.06.2016 - VI ZR 559/14] Tz 33). Bei einem Klagebegehren, das sich aus mehreren in einem Antrag zusammengefassten Teilansprüchen zusammensetzt, kann ein einheitliches Grundurteil nur ergehen, wenn jeder Teilanspruch gerechtfertigt ist (BGH NJW-RR 04, 1034 [BGH 29.01.2004 - I ZR 162/01] mwN; Celle NZBau 14, 565 [OLG Celle 20.03.2014 - 16 U 57/13]; su Rn 8). Das Grundurteil muss also den Rechtsstreit hinsichtlich des Grundes umfassend erledigen können (BGHZ 108, 256, 259); bei objektiver Klagenhäufung jedenfalls hinsichtlich des jeweiligen Streitgegenstands. Es ist unzulässig, wenn es nicht zu einer echten Vorabentscheidung des Prozesses, sondern zu einer ungerechtfertigten Verzögerung und Verteuerung des Prozesses führt (BGH NJW 16, 3244 [BGH 28.06.2016 - VI ZR 559/14] Tz 26). Das Grundurteil gibt dem Klageantrag dem Grunde nach stets ganz oder tw statt. Eine die Klage wegen fehlenden Anspruchsgrundes ganz oder tw abweisende Entscheidung ist mangels verbleibenden Streits über den Betrag (Teil-)Endurteil. Fehlt es insgesamt am Klageanspruch, ist Endurteil iSd § 300 zu erlassen, fehlt der Klagegrund nur tw, so ist das Grundurteil vorbehaltlich des § 301 II mit einem abweisenden Teilurteil zu verbinden, wenn einer der Fälle des § 301 vorliegt (§ 301 Rn 17). Umgekehrt steht die Unbegründetheit eines nur quantitativ abgegrenzten Teils einer einheitlichen Klageforderung einem uneingeschränkten und bejahenden Grundurteil auch nicht entgegen (BGH NJW-RR 04, 1034 [BGH 29.01.2004 - I ZR 162/01]).