Prof. Dr. Christoph Thole
Gesetzestext
(1) Durch die Geltendmachung der dem Erben nach den §§ 2014, 2015 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehenden Einreden wird eine unter dem Vorbehalt der beschränkten Haftung ergehende Verurteilung des Erben nicht ausgeschlossen.
(2) Das Gleiche gilt für die Geltendmachung der Einreden, die im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft dem überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner nach dem § 1489 Abs. 2 und den §§ 2014, 2015 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zustehen.
A. Normzweck.
Rn 1
Vor Annahme der Erbschaft ist der Passivprozess gegen den (vorläufigen) Erben in Bezug auf Nachlassverbindlichkeiten mangels Klagbarkeit des Anspruchs unzulässig (§ 1958 BGB, dazu PWW/Zimmer § 1958 BGB Rz 1; St/J/Althammer Rz 1; ThoPu/Reichold Rz 1). Der Anspruch darf nur gegen Nachlasspfleger geltend gemacht werden; die Vollstreckung erfolgt in den Nachlass, § 778.
Nach Annahme der Erbschaft ist der Erbe gem §§ 2014, 2015 BGB berechtigt, die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten bis zu drei Monate nach Annahme der Erbschaft (§ 2014) oder bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahrens (§ 2015 BGB) zeitweilig zu verweigern; die Erhebung der Einrede kann zugleich die Annahme der Erbschaft bedeuten (PWW/Zimmer § 2014 Rz 1). Dem stellt § 305 eine auf Interessenausgleich bedachte prozessuale Regel an die Seite. Der Kl darf mit Blick auf sein Interesse an einer zügigen Rechtsdurchsetzung gegen den Erben vorgehen; das Gericht darf sachlich über die Klage befinden und den Erben verurteilen. Es muss aber dem Erben im Urt vorbehalten sein, die zeitweilig beschränkte Erbenhaftung im Zuge der Zwangsvollstreckung durch Vollstreckungsabwehrklage oder Antrag auf einstweilige Einstellung geltend zu machen (§§ 780, 782 f, 785 iVm 767, 769; vgl Rn 5).
Abs 2 stellt die Haftungsbeschränkung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners bei fortgesetzter Gütergemeinschaft den Fällen des Abs 1 gleich, da § 1489 II BGB auf die für Nachlassverbindlichkeiten des Erben geltenden Regeln verweist.
B. Tatbestandsvoraussetzungen.
I. Erhebung der Einrede.
Rn 2
§ 305 betrifft nur die Verurteilung unter Vorbehalt in den Fällen des §§ 2014, 2015 BGB, nicht das Nachlassinsolvenzverfahren, Nachlassverwaltung oder sonstige Instrumente zur gegenständlichen Beschränkung der Haftung des Erben wie die Erschöpfungs- und Dürftigkeitseinrede (§§ 1989, 1990 BGB) (missverständlich Musielak/Musielak Rz 3). In allen Fällen stützt sich die Aufnahme des Vorbehalts auf § 780. Aus Abs 1 folgt lediglich, dass dieser Vorbehalt auch bei den allein aufschiebend wirkenden Einreden zulässig und ggf erforderlich ist.
Der Erbe muss die Einrede in den Prozess einführen, und zwar bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung (Musielak/Musielak Rz 3) (zur Nachholbarkeit im Rechtsmittelzug Rn 6). Unnötige Förmelei ist jedoch nicht angebracht; einer ausdrücklichen Beantragung mit dem Klageabweisungsantrag bedarf es nicht.
II. Voraussetzungen der Einrede.
Rn 3
Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Voraussetzungen der Einrede zu prüfen, darf dies aber (KG NJW-RR 03, 941, 942 [KG Berlin 21.11.2002 - 12 U 32/02] zu § 1990 BGB). Ergibt sich nach vollständiger Prüfung die Unbegründetheit der Einrede, da der Erbe das Recht zur Haftungsbeschränkung verloren hat (§§ 2016, 1994 BGB), so muss und darf das Gericht keinen Vorbehalt in das Urt aufnehmen.
III. Fall des Abs 2.
Rn 4
Für Gesamtgutsverbindlichkeiten haftet der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft persönlich, kann aber von den Einreden des Erben nach §§ 2014, 2015 BGB gleichfalls Gebrauch machen, sofern er nicht aus einem anderen Grund persönlich verpflichtet ist. Abs 2 verweist umfänglich auf die Regeln des Abs 1 (›Das Gleiche gilt‹).
IV. Inhalt und Wirkung des Urteils.
Rn 5
Der Vorbehalt betrifft nur die streitgegenständliche Erblasserschuld oder Erbfallschuld, nicht die erst nach dem Erbfall entstehenden Prozesskosten des Erben (Köln NJW 52, 1145f), die sich als persönliche Nachlasserbenschulden darstellen. Der Vorbehalt ist nach dem Ausspruch zur Sache in das Urt aufzunehmen (näher §§ 311 II 1, 313 I Nr 4).
Formulierungsbeispiel:
›Dem Beklagten bleibt die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten‹.
War eine unbeschränkte Verurteilung beantragt, kommt Kostenquotelung in Betracht (ThoPu/Reichold Rz 2), ggf greift aber § 92 II. Die Erhebung der Einrede steht der Annahme eines sofortigen Anerkenntnisses iSd § 307 nicht entgegen; für die Kosten gilt dann § 93 (B/L/H/A/G/Hunke Rz 5).
Der Vorbehalt ist vAw aufzunehmen, wenn der Erbe die Einrede erhoben hat. Im Fall des § 780 II bedarf es keines Vorbehalts. Beim VU gegen den Beklagten ergeht nur dann ein Vorbehalt, wenn es der Kl beantragt oder er selbst die vorherige Erhebung der Einrede durch den Beklagten in den Prozess eingeführt hat.
Das Urt ist kein Vorbehaltsurteil iSd § 302. In der Zwangsvollstreckung darf der Vollstreckungsgläubiger lediglich sichernde Maßnahmen durchführen (§ 782). Darüber hinausgehende Maßnahmen kann der Erbe nach §§ 780, 782 f, 785 iVm §§ 767, 769 abwenden.
V. Nachholbarkeit des Vorbehalts.
Rn 6
Fehlt der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung bei der Kostengrundentscheidung, so ist dies im Kostenfestsetzungsbeschluss nicht nac...