Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 7
Das Gericht hat nach Erklärung des Verzichts zu prüfen, ob die Voraussetzungen aus Rn 2 f vorliegen. Durch Zwischenurteil (§ 303) kann das Gericht die Ungültigkeit oder Unwirksamkeit des (vermeintlichen) Verzichts feststellen. Das Gericht darf aber nicht durch Beschl den Antrag des Beklagten auf Erlass des Verzichtsurteils zurückweisen. Das Argument, es handele sich bei dem Antrag um die Wiederholung des Sachantrags (MüKoZPO/Musielak Rz 5), ist freilich nicht zweifelsfrei, da man sich in den Fällen des § 335 an einer Zurückweisung des auf Erlass eines VU gerichteten Antrags durch Beschl ebenfalls nicht stört. § 306 sieht indessen eine entsprechende Handhabung wie bei den §§ 335, 336 eben nicht vor.
Rn 8
Ist der Verzicht wirksam erklärt worden, entscheidet das Gericht durch ein entsprechend überschriebenes ›Verzichtsurteil‹. Erst das rechtskräftige Urt beseitigt die Rechtshängigkeit (Frankf FamRZ 82, 809, 812; ausf Schilken ZZP 90, 157, 165f). Tenor: ›Der Kl wird mit dem geltend gemachten Anspruch abgewiesen‹. Bei einem Verzichtsurteil in der Revisionsinstanz ist dem Verzicht in der Urteilsformel gleichfalls Ausdruck zu geben: ›Die Berufung des Kl gegen das Urt … wird in vollem Umfang mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klägerin aufgrund ihres Verzichts mit dem Anspruch abgewiesen wird.‹ (so bei BGH 2.6.05 – III ZR 452/04 – juris). Die Abfassung des Urteils ist nach § 313b erleichtert; insb sind weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe erforderlich. Verkündung des Urteils vor der Niederschrift der Urteilsformel ist möglich (§ 311 II). Das Verzichtsurteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr 1). Die Kostenentscheidung folgt § 91. Eine reziproke Anwendung des § 93 zugunsten des Klägers kommt nach hM mit Recht nicht in Betracht (Hamm MDR 82, 676; Kobl NJW-RR 86, 1443 [OLG Koblenz 14.11.1985 - 6 U 1104/85]; Schlesw NJW 13, 2765, 2766 [OLG Schleswig 29.04.2013 - 6 W 29/12]; St/J/Althammer Rz 30; MüKoZPO/Musielak Rz 7; aA B/L/H/A/G/Hunke Rz 3; Frankf NJW-RR 94, 62; LG Hamburg NJW-RR 87, 381, 382 [LG Hamburg 29.09.1986 - 2 O 167/86]); war die Klage begründet und ist sie nach Rechtshängigkeit unbegründet geworden, so bietet sich statt des Verzichts zur Kostenvermeidung eine einseitige Erledigungserklärung an, die ohnehin zu einem Feststellungsurteil mit der Kostenfolge des § 91 zu Lasten des Beklagten führt (zur beiderseitigen Erledigungserklärung vgl § 91a und dort Rn 17 ff. Besteht der Beklagte auf einem streitigen Sachurteil, obwohl er daran kein Rechtsschutzinteresse hat (Rn 6), so kommt eine Kostenteilung nach § 92 in Betracht (so bei BGHZ 49, 213, 218 = NJW 68, 503, 504).
Denkbar ist auch ein End- und Verzichtsurteil, wenn sich der Verzicht auf einen Teil des Klageanspruchs beschränkt und der verbleibende Teil bereits entscheidungsreif ist. Ist der verbleibende Teil noch nicht entscheidungsreif, so muss in Abweichung zu § 301 II zwingend Teilverzichtsurteil über den vom Verzicht erfassten Teil ergehen, wenn der Beklagte Klageabweisung beantragt.
Wurde der Verzicht wirksam, aber entgegen der materiell-rechtlichen Rechtslage erklärt, so fehlt dem zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Anspruch nach der Rechtskraft des Verzichtsurteils die Klagbarkeit (B/L/H/A/G/Hunke Rz 6). Bei der für den Schadensersatzanspruch nach § 945 relevanten Frage, ob dem Verfügungskläger bei Erlass der einstweiligen Verfügung der dort geltend gemachte Anspruch (von Anfang an) materiell-rechtlich zugestanden hat, entfaltet das Verzichtsurteil keine Bindungswirkung, da es keine Entscheidungsgründe enthält und ohne sachliche Prüfung ergeht (BGH NJW-RR 98, 1651, 1652 [BGH 15.01.1998 - I ZR 282/95]; näher § 945 Rn 12).
Rn 9
Das Verzichtsurteil ist nach allgemeinen Regeln anfechtbar, die Kostenentscheidung analog § 99 II 1 (Schlesw NJW 13, 2765 [OLG Schleswig 29.04.2013 - 6 W 29/12]). Da der Verzicht jedoch fortwirkt, hat das Rechtsmittel des Klägers nur Erfolg, wenn der Verzicht unwirksam war oder unter den Voraussetzungen von § 307 Rn 10 beseitigt wird.