Rn 11

Die Voraussetzungen des § 308 sind vAw ohne besondere Rüge zu prüfen, auch in der Revisionsinstanz (BGH NJW 84, 2295 [BGH 31.01.1984 - VI ZR 150/82]; NJW-RR 89, 1087). § 308 I gehört nicht zu den nach § 295 durch Nichtrüge heilbaren Verfahrensfehlern (BGH LM Nr 7 aE). Das Urt oder der Beschl ist mit den allgemeinen Rechtsmitteln angreifbar, im Beschlussverfahren mit sofortiger Beschwerde. Die Anfechtung des unter Verstoß gegen Abs 1 ergangenen Urteils führt in der Rechtsmittelinstanz zur Aufhebung und Zurückverweisung (näher § 538 Rn 12). Ein Verstoß gegen § 308 kann aber in der Berufungsinstanz geheilt werden. Bringt der Kl, indem er die Zurückweisung der Berufung des Beklagten beantragt, zum Ausdruck, er mache sich die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils jedenfalls hilfsweise zu eigen, ist eine Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils von seinem Antrag gedeckt (BGHZ 111, 157, 161; 124, 351, 370; BGH NJW 90, 1910, 1911; 99, 61f). Insoweit wird eine Heilung der Verletzung des § 308 Abs 1 angenommen (zuletzt BAG NJW 15, 1548, 1550 [BAG 18.11.2014 - 1 AZR 257/13] Tz 19; Dresd NZFam 15, 915). Die Verletzung lebt auch nicht dadurch wieder auf, dass später in der Berufungserwiderungsschrift eine entsprechende Einschränkung vorgenommen wird (Rostock MDR 20, 691, 692). Eine Heilung des Verstoßes kommt hingegen nicht dadurch in Betracht, dass der Kl die Zurückweisung der Revision beantragt und sich damit die Entscheidung des Berufungsgerichts zu eigen macht (BGH NJW-RR 90, 997, 998 [BGH 16.11.1989 - I ZR 15/88]), denn insoweit handelte es sich um eine in der Revisionsinstanz grds unzulässige Klageerweiterung. Eine abschließende Entscheidung über einen Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Abs 1 entschieden hatte, ist nur zulässig, wenn auf der Grundlage des festgestellten und unstreitigen Sachverhalts ohne Beschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten des Gegners eine abschließende Entscheidung möglich und sachdienlich ist (BGH NJW 91, 1683, 1684 mwN). Sind Rechtsmittel nicht statthaft, bleibt nur eine Verfassungsbeschwerde. Ob nach Rechtskraft des Urteils eine entsprechende Anwendung von § 321 in Betracht kommt, wenn der Verfahrensfehler versehentlich erfolgte, (so Klette ZZP 82, 93 ff; R/S/G § 131 Rz 9; aA Musielak FS Schwab, 349, 362), ist zweifelhaft, da die ZPO-Reform mit § 321a für bestimmte Fälle von Verfahrensfehler eigene Rechtsbehelfe eingeführt hat. Ein Verstoß gegen § 308 wird sich als Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellen lassen und dann über § 321a eine Anhörungsrüge begründen können (so jetzt auch MüKoZPO/Musielak Rz 22 und BGH NJW 17, 2561 [BGH 16.05.2017 - VI ZR 25/16] Tz 11). Im Übrigen bleibt es bei der Rechtskraft des Urteils, die den über den Antrag hinaus zugesprochenen Teil einschließt (BAG 21.6.06 – 7 AZR 416/05 – juris).

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