Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 2
Die Räumungsklage des Vermieters gegen den Mieter oder des Mieters gegen den Untermieter muss unbegründet sein, weil der Beklagte nach den §§ 574–574b BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann. Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ist § 574a BGB, der auf § 574 BGB Bezug nimmt. Diese Vorschrift setzt voraus: 1. Wirksame Kündigung des Vermieters, 2. form- und fristgerechter Widerspruch des Mieters (§§ 574, 574b BGB), 3. unzumutbare Härte für den Mieter unter Abwägung der Vermieterinteressen (näher PWW/Riecke § 574 BGB Rz 2 ff). Es stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, wenn das Gericht auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 308a erkennt, ohne die Begründetheit der Kündigung geprüft und bejaht zu haben (LG München I WuM 01, 561). Ist die Kündigung unwirksam, dauert das Mietverhältnis ohnehin kraft der vertraglichen Vereinbarung fort. Für § 575c BGB (weitere Fortsetzung bei unvorhergesehenen Umständen) gilt § 308a analog, nicht jedoch bei einem Zeitmietvertrag (§ 575 II 2, III 1 BGB), wenn Mieter den Anspruch auf Fortsetzung nicht durch einen zeitlich bestimmten Antrag geltend gemacht hat (LG Berlin MDR 99, 1436 [LG Berlin 13.04.1999 - 64 T 14/99]; Zö/Vollkommer Rz 2; HK-ZPO/Saenger Rz 2; MüKoZPO/Musielak Rz 2). Bei außerordentlicher fristloser Kündigung greift § 308a schon wegen § 574 I 2 BGB nicht ein. Abs 1 gilt wegen seines Schutzzwecks nur für die Wohnraumvermietung, nicht entsprechend für Fortsetzungsverlangen bei Gewerbemiete.
Rn 3
Abs 1 enthält nur eine Aussage über die Entbehrlichkeit des Antrags, soll aber weder einem Inzidentantrag analog §§ 302 IV 4, 717 III 2 noch einer Widerklage das Rechtsschutzbedürfnis nehmen (LG Berlin Grundeigentum 04, 235, 236 = 62 S 254/03 – juris; ThoPu/Reichold Rz 8; Zö/Feskorn Rz 2). Die Zulässigkeit der Widerklage ist zweifelhaft (so auch Musielak/Musielak Rz 8), denn der Beklagte kann auch ohne eine Widerklage sein Begehren formulieren und für die Anfechtung des Ausspruchs genügt bei ihm die materielle Beschwer (§ 511 Rn 17).
Rn 4
Ergibt sich aus dem Beklagtenvortrag, dass der Bekl kein Interesse an einer Fortsetzung hat oder nur die Verlängerung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt wünscht, kann das Gericht darüber nicht hinausgehen (MüKoZPO/Musielak Rz 3); insoweit bedarf es des mit Abs 1 zumindest auch bezweckten Mieterschutzes (Rn 1) gerade nicht. Ein tatsächliches Fortsetzungsverlangen des Mieters ist für Abs 1 aber nicht erforderlich; es liegt ohnehin meist im Widerspruch gegen die Kündigung (Zö/Feskorn Rz 2). Dem Mieter steht es frei, der Erhebung einer Räumungsklage durch eine Gestaltungsklage auf Fortsetzung des Mietverhältnisses zuvorzukommen. Hat der Mieter darin den Verlängerungszeitraum nicht bestimmt, ist Abs 1 entsprechend anzuwenden (MüKoZPO/Musielak Rz 2); aus Abs 1 ergibt sich demnach das Recht zu einem unbestimmten Antrag bei der selbstständigen Fortsetzungsklage.