Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 10
Solange das Urt nicht unterschrieben und nicht verkündet oder zugestellt ist, ist es wie ein Urteilsentwurf zu behandeln (BGHZ 137, 49, 52 f = NJW 98, 609 mwN).
Verkündung. Das Entwurfsstadium wird aber verlassen, sobald das Urt vom Gericht verkündet wird. Das Fehlen der Unterschrift hindert nicht die Wirksamkeit der Verkündung, auch nicht in den Fällen des § 310 II (BGH NJW 89, 1156, 1157; BGHZ 137, 49, 52 f = NJW 98, 609; BGH NJW-RR 98, 1065; NJW 06, 1881 Tz 13; NJOZ 15, 1360, 1361). Die fehlende Unterschrift eines mitwirkenden Richters kann bis zum Ablauf der Fünf-Monats-Frist nachgeholt werden, auch nach Einlegung des Rechtsmittels (BGH NJW 55, 1919, 1920). Hat fälschlicherweise ein an der Entscheidungsfindung unbeteiligter Richter unterschrieben, ist dies wie das Fehlen der Unterschrift des zur Unterschrift verpflichteten Richters zu beurteilen. Die unrichtige Unterschrift ist zu streichen. War der Richter, der fälschlich unterschrieben hatte, auch im Rubrum aufgeführt, so ist diese Angabe im Wege eines Berichtigungsbeschlusses (§ 319) zu korrigieren (Ddorf NJW-RR 95, 636, 637 [OLG Düsseldorf 24.02.1994 - 10 U 122/93]). Ist die Nachholung im Entscheidungszeitpunkt über das Rechtsmittel noch nicht erfolgt, so ist das Urt wegen des Verstoßes gegen § 315 I aufzuheben (BGH NJW 77, 765); umgekehrt kann die Nachholung ein allein auf den Verfahrensmangel gestütztes Rechtsmittel zum Scheitern bringen (ggf Erledigung des Rechtsmittels. Wird gar kein Rechtsmittel eingelegt, bleibt das verkündete Urteil auch ohne die Unterschrift wirksam. In den Fällen (Rn 5), in denen das gesamte Kollegium oder der Einzelrichter an der Unterschrift gehindert sind, wird das Urt wirksam und ist wie gewöhnlich auszufertigen und zuzustellen; auf Rechtsmittel ist es aber aufzuheben (Kobl VersR 81, 688). Genügte der Verhinderungsvermerk nicht den Anforderungen des Abs 1 S 2, so ist dies wie eine fehlende Unterschrift des verhinderten Richters zu beurteilen (BGH NJW 80, 1849f [BGH 21.05.1980 - VIII ZR 196/79]).
Zustellung. § 317 verlangt die Angabe der Unterschriften unter der Ausfertigung. Die fehlende Wiedergabe der tatsächlich geleisteten Unterschriften macht die Zustellung der Ausfertigung unwirksam und setzt keine Rechtsmittelfristen in Gang (BGH NJW-RR 87, 377); maßgebend für die Frage des Vorliegens eines wesentlichen Mangels, der die Zustellung unwirksam macht ist, ist die Ausfertigung, nicht die Urschrift (BGH NJW 01, 1653, 1654 [BGH 24.01.2001 - XII ZB 75/00]). Gleichwohl ist noch vor wirksamer Zustellung eine Rechtsmitteleinlegung möglich, wenn die Verkündung bereits erfolgt war. Stimmen die Namen der im Rubrum aufgeführten Richter nicht mit denen der unterschreibenden Richter überein, so ist das Urt mangelhaft ausgefertigt und die Zustellung ebenfalls wirkungslos (RGZ 29, 366, 367; St/J/Althammer Rz 19). In den Fällen des § 310 III, in denen die Zustellung konstitutiv wirkt, gilt das Gleiche mit der Maßgabe, dass das Urt gar nicht erst existent wird (Musielak/Musielak Rz 10) und daher nur als ›Schein‹-Urteil Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens werden kann (§ 511 Rn 8). Fehlt die Unterschrift auch auf der Urschrift, so gelten die gleichen Maßstäbe: Das Urt ist mit Verkündung existent, aber ein Rechtsmittelangriff gegen das Urt möglich. Bei § 310 III muss das Urt im Zeitpunkt der Zustellung unterschrieben sein (BGHZ 137, 49, 53; BGH BB 93, 1174; zu § 8 AVAG BGH NJW-RR 98, 141), sonst wird es nicht existent.