Rn 5

Das Gericht darf die einmal erlassene, auch eine inhaltliche falsche Entscheidung außerhalb des Verfahrens nach §§ 319–321 nicht selbst abändern oder ergänzen (näher Lüke JuS 00, 1042, 1043). Dieses Verbot betrifft sowohl eine eigenmächtige Änderung der ursprünglichen Entscheidung als auch den Erlass einer Entscheidung, in der die Entscheidung aufgehoben oder abgeändert wird (BGHZ 44, 395, 297 zur Rechtsmittelzulassung) oder ohne Bezugnahme auf das ursprüngliche Urt ein neues Urt hinsichtlich desselben Streitgegenstands erlassen wird. Zu besonderen Prozesssituationen unten Rn 10 ff. Die Möglichkeit der Parteien, die Bindung des Gerichts durch Vereinbarung abzubedingen, wird gemeinhin verneint (Baumgärtel MDR 69, 173; ThoPu/Reichold Rz 5; St/J/Althammer Rz 9; Zö/Feskorn Rz 10, aA Schlosser Parteihandeln S 16 ff; vgl Wagner S 340f). Eine eigenmächtige Selbstkorrektur wider den Vertrauensschutz der Parteien wäre aber in einer Entscheidungskorrektur mit Zustimmung der Parteien gerade nicht zu sehen; daher lässt sich das Fehlen der Dispositionsbefugnis allenfalls mit einem übergeordneten, öffentlich-rechtlich geprägten Autoritätsanspruch der gerichtlichen Entscheidung begründen.

Die Bindung entfällt auch nicht dann, wenn das Gericht zwischenzeitlich neue Erkenntnisse gewonnen oder sich die höchstrichterliche Rspr geändert hat (s aber Rn 8). Ist der Urteilsausspruch unklar, sprachlich missraten oder nicht der Zwangsvollstreckung zugänglich, so ändert dies an der Bindung grds nichts (vgl auch St/J/Althammer Rz 10); außerhalb des auf offensichtliche Unrichtigkeiten beschränkten § 319 darf das Gericht keine Klarstellung vornehmen. Ob die Bindung auch dann besteht, wenn das Urt aufgrund der Widersprüchlichkeit und Unklarheit ausnahmsweise nicht der materiellen Rechtskraft fähig ist (§ 322), wird wohl nur für das Abweichungsverbot (Rn 6) zu verneinen sein. Die Parteien können im Streitfalle ggf Feststellungsklage betreffend die Auslegung des Urteils erheben (§ 256). Zulässig sein soll aber eine Urteilsergänzung, die nach der Unterbrechung durch den Tod einer Partei zwischen Urteilserlass und Rechtsmitteleinlegung die Rechtsnachfolge feststellt (RGZ 68, 247, 256).

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