Rn 3

Abs 1 setzt zunächst eine Unrichtigkeit des Urteils voraus. Die in Abs 1 genannten Schreibfehler und Rechnungsfehler sind nur Beispiele für eine solche Unrichtigkeit. Das Urt ist unrichtig, wenn es nicht das zum Ausdruck bringt, was das Gericht im Zeitpunkt der Urteilsfällung und -abfassung gewollt hat. Es ist also der wahre Wille des Gerichts zu ermitteln, lässt er sich nicht feststellen, so kann keine Berichtigung erfolgen (Zweibr FamRZ 82, 1030, 1031; LAG Hamm BB 81, 795 LS). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Unrichtigkeit auf einem Fehler des Gerichts oder der Parteien oder eines Dritten beruht (Ddorf OLGZ 70, 126, 128; Hamm JurBüro 89, 693; LAG München MDR 85, 170, 171; aA KG OLGZ 13, 152, 153; Bull Rpfleger 57, 401), denn das Interesse an Berichtigung und Selbstkorrektur besteht in allen Fällen. Unerheblich ist, ob das Gericht etwas anderes gewollt hätte, wenn es einen weiteren Umstand (zB eine bestimmte höchstrichterliche Rspr) bedacht hätte. Abs 1 meint also nur reine Verlautbarungsmängel, nicht aber Fehler in der Willensbildung (BGHZ 106, 370, 373 = NJW 89, 1281; 85, 742; BGHZ 127, 74, 79 = NJW 94, 2832, 2833; FamRZ 03, 1270; NJW 15, 952, 953). Der Verlautbarungsmangel kann zB auch darin liegen, dass die Klage im Tenor abgewiesen wird, obwohl das (offensichtlich) nach den Entscheidungsgründen nicht gemeint war und umgekehrt. Dies deckt sich mit der Abgrenzung zwischen § 119 I BGB und § 119 II BGB (PWW/Ahrens § 119 Rz 23 ff). Auch und gerade Abweichungen zwischen Urteilsausfertigung und Original sind erfasst, unabhängig davon, ob man der Ausfertigung die Unrichtigkeit ansieht (Köln 20.12.11, 23 WLw 12/10 – juris). Die Unterscheidung zwischen Verlautbarungsmangel und Fehler in der Willensbildung ist theoretisch sauber, wird aber in der Praxis nicht immer scharf gezogen. Die Rspr schließt zunehmend auch Fehler im Willensbildungsprozess ein; das trifft va auf Berechnungsfehler zu (Hamm MDR 86, 594; LAG München MDR 85, 170, 171 [LAG München 10.02.1984 - 8 Ta 252/83]; Köln MDR 80, 761, 762; s aber unten Rn 7). Bei den Rechenfehlern ist das im Ansatz unbedenklich, da sie (wie Kalkulationsirrtümer bei § 119 I BGB) einen Widerspruch zwischen Gewolltem und Verlauteten begründen, auch wenn sie schon im Willensbildungsprozess entstanden sind (Musielak/Musielak Rz 4; vgl auch Hamm OLGR 08, 230). Bsp: Will das Gericht wegen 10 Schadensfällen je 100 zusprechen und spricht es die Verurteilung von 10.000 aus, so ist das Urt unrichtig iSd § 319. Insoweit liegt schon ein Verstoß gegen die Grundrechenarten vor (Hamm NJW-RR 87, 187, 188; Zweibr FamRZ 85, 614 [OLG Zweibrücken 11.10.1984 - 6 UF 34/84]); gleichfalls kann Berichtigung erfolgen, wenn der Tenor auf 1.000 lautet, aber die vom Gericht aufgestellte Berechnung dies, ersichtlich gewollte, Ergebnis nicht unterstützt. Eine Berichtigung kommt insoweit auch in Betracht, wenn kein eigentlicher Berechnungsfehler vorliegt, sondern zB ein Eingabefehler bei Benutzung eines Computerprogramms, oder ein Rechnungsposten vertauscht wurde, weil dann das Gericht über den Inhalt der Entscheidung im Irrtum ist. Nicht zulässig ist aber eine Berichtigung, wenn der Rechenfehler in Wahrheit ein rein sachlicher Irrtum ist, weil das Gericht zB die Minderungsformel des § 441 BGB falsch angewendet hat und deshalb zu einem falschen Ergebnis gelangt ist. Die Grenze ist fließend; die Rspr tendiert zu einer großzügigen Handhabung. So soll Berichtigung nach § 319 möglich sein, wenn das Anfangsvermögen beim Zugewinnausgleich mit einer falschen Indexzahl für den Kaufpreisschwund hochgerechnet wird (Ddorf FamRZ 97, 1407, 1408), obwohl die Wahl des falschen Berechnungsfaktors insoweit eher einem Rechtsanwendungsfehler gleichzustellen wäre. Daher ist auch die Wahl des falschen Berechnungsprogramms keine Unrichtigkeit iSd § 319 (Saarbr MDR 05, 47). Eine Berichtigung kommt aber in Betracht, wenn ein Rechnungsposten übersehen wurde (Bambg FamRZ 00, 38: Grundstückswert bei Zugewinnausgleich), falls eine umfassende Entscheidung gewollt war und gerade kein Fall des § 321 vorliegt.

Von der Rspr gebilligt wurde auch der nachträgliche Zuschlag der MwSt auf Zinsen, obwohl das gar nicht beantragt war (Braunschw NJW-RR 94, 34, 35 [OLG Braunschweig 17.06.1993 - 2 U 36/93]). Der Umstand, dass Nebenforderungen betroffen sind, darf aber die Abgrenzung nicht bestimmen. Auch bei sachlichen Fehlern, die auf offenbarer Gedankenlosigkeit beruhen (so Zweibr MDR 94, 831, 832) sollte es eher bei dem Grundsatz einer Nichtanwendung des § 319 bleiben, weil die Abgrenzung zur inhaltlichen Unrichtigkeit im Sinne eines Willensbildungsfehlers am Maßstab der Gedankenlosigkeit nur schwer vorzunehmen ist.

Der Fehler kann auch darin liegen, dass etwas nicht verlautet wird, dh das Urt unvollständig ist. War aber ein Anspruch geltend gemacht, der bei der Urteilsfindung übergangen wurde, so greift ausschließlich § 321. Daher ist es ohne Verstoß gegen § 318 nicht möglich, die Fehlauslegung eines Vertrags oder Gesetzes sowie eine f...

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