Rn 3

Übergangene Ansprüche iSd Abs 1 betreffen nur ein bestimmtes Begehren der Partei, das zur Entscheidung durch Urt gestellt wird, oder einen Teil davon, nicht eine inhaltlich unrichtige Entscheidung (BGH NJW 02, 1500, 1501; ausf Stackmann NJW 05, 1537, 1538). Ansprüche idS können auch Hilfsanträge sein (BAG NJW 09, 1165), wenn es wegen des Eintritts der prozessualen Bedingung auf sie angekommen wäre; ebenso Widerklageanträge. Fehlen diese Anträge im Tatbestand, ist zunächst nach § 320 vorzugehen; dann beginnt die Frist des Abs 2 erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses (BAG aaO). Auch erfasst ist der Fall, dass das Gericht eine Partei bei der Entscheidung übergeht, dh bei mehreren Klägern über die Ansprüche eines Klägers nicht entscheidet (vgl BGH NJW 15, 952, 953 Tz 18 m Anm Kaiser). Stellt die insoweit übergangene Partei keinen fristgerechten Antrag auf Berichtigung, scheidet sie aus dem Rechtsstreit aus (hierzu Kaiser NJW 15, 954 [BGH 05.11.2014 - VIII ZR 257/13]). Nicht erfasst ist das Übergehen von rechtlichen oder tatsächlichen Vorbringen der Partei oder das Übersehen von Einwendungen einer Partei; dies macht das Urt inhaltlich falsch und kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs begründen, sodass eine Anfechtung mit Rechtsmitteln bzw § 321a in Betracht kommen. Das Übersehen eines Zurückbehaltungsrechts (BGHZ 154, 1, 4 = NJW 03, 1463) oder des Erfüllungseinwands ist deshalb kein tauglicher Antragsgegenstand. Ob ausnahmsweise eine übergangene Aufrechnungsforderung wegen § 322 II einem übergangener Anspruch gleichzustellen ist (AG Paderborn MDR 00, 1272 [AG Paderborn 06.06.2000 - 57 C 558/99]; aA ausdr jetzt Zö/Feskorn Rz 4), ist str (abl wohl BGH NJW-RR 96, 379 [BGH 07.12.1995 - III ZR 141/93]) und zu verneinen, da die Rechtskraftwirkung nichts daran ändert, dass die Aufrechnung ein reiner Erfüllungseinwand ist. Wohl aber ist die Hinzufügung eines Vorbehalts der Rechte gem § 302 II möglich, was das Problem weitgehend vermindert. Zulässig ist auch ein auf Hinzufügung einer Vollstreckungsschutzanordnung oder einer Räumungsfrist (§§ 712, 721) gerichteter Antrag (BGH NJW 84, 1240) wie überhaupt die Ergänzung von Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit (§ 716). Der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung (§§ 305, 780) und Haftungsbeschränkungen (zB bei Minderjährigen (§ 1629a BGB) dürfen ergänzt werden; es sei denn, von ihrer Hinzufügung wurde auf der Grundlage einer sachlichen Prüfung abgesehen. Denkbar sind auch Erweiterungen im Hinblick auf sonstige Modalitäten der Leistungspflicht, wie Fristbestimmungen (§ 255) oder § 14 AnfG (umfassend zum Anwendungsbereich Hofmann S 193 ff).

Die nachträgliche Vervollständigung eines ohne Tatbestand und Entscheidungsgründen ergangenen VU, das sich gegen eine im Ausland ansässige Partei richtet, ist (aus den Gründen § 313a Rn 7) zulässig (Celle OLGR 07, 702). Gleiches gilt aber auch sonst, wenn das VU nicht die gesamten Anträge abdeckt. Wollte das Gericht aber umfassend nach Antrag entscheiden, so handelt es sich nur um einen nach § 319 zu berichtigenden Verlautbarungsmangel.

Keine Ergänzung soll in Betracht kommen, wenn das Gericht die Einordnung als deliktischen Anspruch iSd § 850f II versehentlich unterlassen hat (Gaul FS Gerhardt, 259, 304), was mE nicht überzeugt. Allerdings sollte die Versäumung der Frist des § 321 dann eine Feststellungsklage nicht ausschließen.

 

Rn 4

Im Kostenpunkt sind Ergänzungen zulässig, etwa in solchen Fällen, in denen die Kostenteilung geboten war, so bei § 281 III 2, (Hamm NJW-RR 00, 1524), § 344 (Stuttg Justiz 84, 19), § 96 sowie beim Übersehen einer Entscheidung über die Kosten der Streithilfe (vgl § 101, BGH 10.2.11, IX ZR 110/09, BeckRS 11, 05638) oder über die Kosten einer aus dem Rechtsstreit ausgeschiedenen Partei oder Scheinpartei (anders offenbar BGH NJW 06, 1351, 1352 [BGH 16.12.2005 - V ZR 230/04]), nicht aber bei einem bewussten Vorbehalt der Kostenentscheidung für ein Schlussurteil oder wenn das Gericht von einer beiderseitigen Erledigungserklärung ausgegangen ist (§ 91a) statt von einer einseitigen Erklärung (Feststellungsbegehren; BGH NJW 02, 1500, 1501). Wenn der Rechtspfleger beim Kostenfestsetzungsbeschluss die angemeldeten Kosten zu Gunsten der falschen Person festgesetzt hat, kommt eine Berichtigung nicht in Betracht (Saarbr NJOZ 15, 1468, 1469).

 

Rn 5

Auch das Übergehen der Entscheidung über die Rechtsmittelzulassung kann ein Vorgehen nach § 321 ermöglichen. Insoweit ist zu differenzieren: Hat das Gericht bewusst keinen Ausspruch zur Zulassung getroffen, so ist dies als Nichtzulassung zu behandeln; wegen des Verlautbarungsmangels kommt § 319 in Betracht. Bei irrtümlicher Annahme, es sei keine Zulassung erforderlich oder bei sonst falscher Bewertung der Zulassungsgründe ist kein Raum für eine Urteilsergänzung, da die Zulassungsfrage sachlich, wenn auch falsch, beschieden wurde. In den genannten Fällen ist daher der Antrag schon unzulässig, wenn sich die Partei in ihrer Antragsschrift auf einen solchen sac...

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