Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Rn 15
Identisch sind die Streitgegenstände auch dann, wenn im Folgeprozess das kontradiktorische Gegenteil der im ersten Prozess ausgesprochenen Rechtsfolge begehrt wird (BGH NJW 03, 3058, 3059 [BGH 26.06.2003 - I ZR 269/00]; NJW 08, 1227 [BGH 16.01.2008 - XII ZR 216/05]). Wann dies der Fall ist, kann nicht allein nach dem Wortlaut, sondern muss nach dem Sinn der Klage beurteilt werden, da abgesehen vom Fall der positiven und der negativen Feststellungsklage das exakte Gegenteil der im Erstprozess ausgesprochenen Rechtsfolge oft schwer zu bestimmen ist. So liegt bspw nach dem Sinn und Zweck der Klagen eine Identität der Streitgegenstände vor, wenn der im Streit um den Erfüllungsanspruch unterlegene Kl des Erstprozesses den Bekl auf Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung in Anspruch nimmt, denn diese Forderung steht in kontradiktorischem Gegensatz zum rechtskräftig dem Bekl zuerkannten Erfüllungsanspruch (BGHZ 123, 137, 139 = NJW 93, 2684, 2685; NJW 96, 395, 396). Allg gilt: Wird im Erstprozess ein absolutes Recht wie das Eigentum oder das Erbrecht des Kl rechtskräftig bejaht, so ist ein weiterer Prozess mit umgekehrten Parteirollen auf Feststellung des Eigentums oder des Erbrechts des vormaligen Bekl unzulässig (BGH NJW 95, 967, 968 [BGH 11.11.1994 - V ZR 46/93]). Ist das Eigentum oder das Erbrecht des Kl hingegen rechtskräftig verneint worden, ist damit die Berechtigung des Bekl nicht rechtskräftig festgestellt, eine erneute Klage folglich nicht ausgeschlossen. Gleiches gilt für den Streit von zwei Prätendenten. Die zur Einwilligung in eine Grundbuchberichtigung oder in die Auszahlung eines hinterlegten Betrags verurteilende Klage steht einem erneuten Prozess entgegen (BGHZ 35, 165, 171 = NJW 61, 1457), die Abweisung der Einwilligungsklage ergibt aber noch keinen Anspruch des Bekl auf Auszahlung (BGH NJW 00, 291, 294 [BGH 15.10.1999 - V ZR 141/98]). Unzulässig ist es danach auch, das durch ein rechtskräftiges Urt Zugesprochene in einem Zweitprozess als Bereicherung zurückzufordern (BGH NJW 86, 2645, 2646 [BGH 28.05.1986 - IVa ZR 197/84]; NJW 00, 2022, 2023). Ebenso ist eine nach rechtskräftigem Räumungsurteil im Erstprozess erhobene Klage auf Wiedereinräumung des Besitzes durch den zur Räumung verurteilten Bekl gegen den vorherigen Kl auf das kontradiktorische Gegenteil gerichtet (BGH ZMR 99, 231, 232). Gleiches gilt bei einer Leistungsklage auf Duldung des desjenigen Verhaltens, zu dem der Kl im Vorprozess mit umgekehrtem Rubrum zur Unterlassung verurteilt worden ist (Hamm BeckRS 11, 13450). Zu beachten ist allerdings in allen diesen Fällen, dass die Rechtskraft nicht daran hindert, sich auf Tatsachen zu berufen, die erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung entstanden sind (BGH NJW 84, 126, 127 [BGH 11.03.1983 - V ZR 287/81]). Zur Präklusion ausf unter Rn 43.