Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Rn 38
Zweifelhaft ist, ob diese Grundsätze auch für die verdeckte Teilklage Geltung beanspruchen oder die freie Nachforderung in einem weiteren Prozess ausgeschlossen ist, wenn der Kl im ersten Prozess nicht zu erkennen gegeben hat, dass es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um eine Teilklage handelt. Nach neuerer Rspr schließt die Rechtskraft einer der Teilklage in vollem Umfang stattgebenden Entscheidung auch bei einer verdeckten Teilklage das Recht nicht aus, Nachforderungen aus demselben Sachverhalt zu verlangen (BGHZ 135, 178, 181 = NJW 97, 1990; 151, 3 = NJW 02, 2167; 173, 374, 382 = NJW 08, 373, 375). Gleiches muss aber auch für die klageabweisende Entscheidung gelten. Denn geht man von einer grundsätzlichen Beschränkung der Rechtskraft auf den Streitgegenstand des Prozesses aus, lässt es sich aber dogmatisch nicht rechtfertigen, die Möglichkeit der Nachforderung bei der verdeckten Teilklage anders zu beurteilen als bei der offenen Teilklage (Frankf NJW-RR 97, 700 [OLG Frankfurt am Main 11.11.1996 - 18 U 15/96]; MüKoZPO/Gottwald § 322 Rz 129 ff; Brötel JuS 03, 429 aA St/J/Althammer§ 322 Rz 140; Musielak/Voit/Musielak § 322 Rz 73). Dass Nachforderungen, die bereits im Ausgangsverfahren hätten geltend gemacht werden können, präkludiert sind (so Marburger GS Knobbe-Keuk 97, S 187, 196 ff), lässt sich nicht generell annehmen, da eine rechtskraftfähige Entscheidung über den Grund des Gesamtanspruchs nicht ergeht (Zö/G.Vollkommer Vor § 322 Rz 48). Einer freien Nachforderung kann aber im Einzelfall das Verhalten des Kl entgegenstehen, zB wenn dieser im Ausgangsprozess auf die Klageforderung vernichtet hat (BGH NJW 97, 3021 [BGH 28.04.1997 - II ZR 20/96]).
Rn 39
Ausgeschlossen sind Nachforderungen bei der verdeckten Teilklage im Falle einer Klage auf wiederkehrende künftige Leistung, da ansonsten die Spezialregelung des § 323 zB für die Abänderung eines Unterhaltstitels durch die freie Nachforderung umgangen werden könnte (BGHZ 93, 330, 337 = NJW 87, 1340; 98, 353, 357 = NJW 87, 1201; NJW-RR 87, 642). Bei Schmerzensgeldklagen wird wegen der Unbestimmtheit des Klageantrags die Nachforderung für im Vorprozess nicht berücksichtigte Verletzungsfolgen ausgeschlossen, wenn der Kl keine offene Teilklage erhoben hat (BGH NJW 04, 1243, 1244 [BGH 20.01.2004 - VI ZR 70/03]; NJW-RR 06, 712 [BGH 14.02.2006 - VI ZR 322/04]; NJW 15, 1252 [BGH 20.01.2015 - VI ZR 27/14]; Zö/G.Vollkommer § 322 Rz 13; aA MüKoZPO/Gottwald § 322 Rz 133). Das gilt auch, soweit der Antrag im Adhäsionsverfahren gestellt wurde (BGH NJW 15, 228 [BVerfG 19.11.2014 - 1 BvR 1178/14]), da die dort ergangene Entscheidung nach § 406 III 1 StPO einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleichsteht (BGH NJW 13, 1163 [BGH 18.12.2012 - VI ZR 55/12]). Eine Nachforderung ist im Falle der verdeckten Teilklage nur im Hinblick auf Verletzungsfolgen möglich, die im Zeitpunkt der Erstentscheidung noch nicht eingetreten, erkennbar oder vorhersehbar waren (BGH NJW 95, 1614; NJW 98, 1786).
Rn 40
Die im Bauprozess häufige Vorschussklage bezieht sich nur auf die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung und ist damit ihrer Natur nach eine Teilklage. Die materielle Rechtskraft eines Vorschussurteils steht damit einer Nachforderung nicht grds entgegen (BGH NJW 09, 60 [BGH 25.09.2008 - VII ZR 204/07]). Voraussetzung ist aber, dass die Nachforderung sich auf Aufwendungen und Schäden bezieht, von denen der Kl erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses Kenntnis erlangt hat (Hamm MDR 16, 114 [OLG Nürnberg 17.12.2015 - 11 WF 1489/15]).