Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Rn 43
Die Bestimmung des § 323 II ZPO errichtet nach hM eine zeitliche Schranke nur für den Abänderungskläger (BGHZ 98, 353, 360 = NJW 87, 1201; BGH NJW 92, 364, 366). Hieran soll sich ausweislich der Gesetzesbegründung, in der von einer Tatsachenpräklusion für den Antragsteller die Rede ist (BTDrs 16/6208, 257), auch durch das FGG-RG nichts ändern. Der Bekl kann zur Verteidigung des Ersturteils gegen das Abänderungsbegehren des Kl auch solche Tatsachen in den Prozess einführen, die bereits während des Erstprozesses vorgelegen haben, dort aber nicht vorgetragen wurden und infolgedessen unberücksichtigt geblieben sind (BGH FamRZ 01, 1364, 1365). Dies wird in der Literatur zu Recht kritisiert, da hierdurch die Waffengleichheit der Parteien verletzt wird. (MüKoZPO/Gottwald § 323 Rz 79).
Rn 44
Jedenfalls für ein mögliches zweites Abänderungsverfahren schränkt der BGH die Möglichkeit des Bekl, sich auf die tw Geltendmachung von Abänderungsgründen zu beschränken, sachgerecht ein. Versäumt er es, in einem ersten, auf Unterhaltserhöhung gerichteten Abänderungsprozess die bereits bestehenden, für eine Herabsetzung sprechenden Gründe geltend zu machen, kann er auf diese Gründe keine neue Abänderungsklage stützen. Auf diese Weise wird vermieden, dass es zu gesonderten Abänderungsverfahren für Erhöhungs- und Herabsetzungsverlangen und damit zu einer unzweckmäßigen Verdoppelung von Prozessen über den gleichen Lebenssachverhalt mit der damit verbundenen Gefahr einander widersprechender gerichtlicher Entscheidungen kommt. Die Präklusionswirkung des § 323 II gewährleistet damit, dass Gegenstand einer zulässig eingeleiteten Abänderungsklage stets der volle Unterhalt ist und nicht nur die Frage, ob aufgrund veränderter Verhältnisse eine Erhöhung oder Herabsetzung in Betracht kommt. Um den Einfluss veränderter Umstände auf den titulierten Unterhaltsanspruch in einem einheitlichen Verfahren nach allen Seiten zu klären, wurde eine Partei, die ihrerseits eine Änderung anstrebt, als verpflichtet angesehen, in einem vom Gegner eingeleiteten Klageverfahren ihre Änderungsgründe nicht nur als Einwendung geltend zu machen, sondern bei einem weitergehenden Abänderungsbedarf eine selbstständige Abänderungswiderklage zu erheben (BGHZ 136, 374, 378 = NJW 98, 161). Die Rspr hält an dieser Ausweitung der Präklusionswirkung des § 323 II ausdrücklich nicht mehr fest (BGHZ 218, 213 = BGH NJW 18, 2753 Rz 17). Ein Abänderungsantrag des Prozessgegners kann mithin zulässigerweise auch auf Tatsachen gestützt werden, die schon im vorausgegangenen Verfahren hätten berücksichtigt werden können, soweit die begehrte Unterhaltsänderung nicht Gegenstand des Vorverfahrens war. Dies steht im Einklang mit den Grenzen materieller Rechtskraft und ist daher zu begrüßen.