Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Rn 6
Die Rechtskrafterstreckung besteht in einer Erweiterung der subjektiven Grenzen der Rechtskraft. Die Rechtskraft der Entscheidung ergreift hinsichtlich des streitbefangenen Gegenstandes auch den Dritten (BGH MDR 58, 319). Er ist an das Urt ebenso wie die Parteien des Rechtsstreits gebunden. Dies hat zur Folge, dass eine erneute Klage durch oder gegen den Dritten bzgl desselben Streitgegenstandes unzulässig ist. Die objektiven Grenzen der Rechtskraft werden hingegen durch die Rechtsnachfolge in den Streitgegenstand nicht erweitert. Die Rechtskraft eines Urt, das auf ein relatives Schuldverhältnis gestützt wird, bindet den Rechtsnachfolger nicht, wenn er weder rechtsgeschäftlich noch kraft Gesetzes in das Schuldverhältnis eingetreten ist (so BGHZ 216, 83 = NJW-RR 18, 719 Rz 14).
Rn 7
Auch wenn das Urt für und gegen einen Dritten wirkt, bedarf es zur Vollstreckung der Umschreibung der Vollstreckungsklausel auf den Rechtsnachfolger nach § 727. Eine erneute Leistungsklage ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Rechtsnachfolge nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden kann und daher Klage auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel nach § 731 erhoben werden müsste (Kobl FamRZ 00, 900).
1. Abgrenzung zur Tatbestandswirkung.
Rn 8
Von der Erstreckung der Rechtskraft zu unterscheiden ist der Fall, dass eine Entscheidung im Sinne einer Tatbestandswirkung von einer der Parteien zu respektieren ist (zB BSG MDR 88, 82), weil eine materiell-rechtliche (zB § 407 II BGB) oder prozessuale Norm (zB § 717 II) die Existenz einer rechtskräftigen oder vorläufig vollstreckbaren Entscheidung als Tatbestandsmerkmal voraussetzt (s § 322 Rn 7).
2. Abgrenzung zur Gestaltungswirkung.
Rn 9
Von der Rechtskrafterstreckung zu trennen ist weiter die inter omnes eintretende Gestaltungswirkung von Urteilen, etwa des Scheidungsurteils, die unmittelbar eine Änderung der Rechtslage herbeiführen. Die bei Gestaltungsurteilen eintretende Bindung Dritter an die Entscheidung stellt keine Rechtskrafterstreckung dar, sondern ist Ausfluss der von jedermann zu beachtenden Rechtsänderung (s § 322 Rn 6).
3. Abgrenzung zur Interventionswirkung.
Rn 10
Keinen Fall der Rechtskrafterstreckung stellt schließlich die Interventionswirkung nach §§ 68, 74 III dar (aA B/L/H/A/G/Weber § 325 Rz 18). Sie beruht als Urteilswirkung sui generis auf der tatsächlichen oder jedenfalls möglichen Beteiligung des Dritten am Vorprozess. Demgemäß besteht anders als bei der Rechtskrafterstreckung dann keine Bindung, wenn dem Nebenintervenienten oder Streitverkündeten kein rechtliches Gehör gewährt worden ist (s § 322 Rn 8).
Rn 11
Davon zu unterscheiden ist die Wirkung von Nebenintervention und Streitverkündung ggü den Rechtsnachfolgern der Partei oder des Dritten, für die § 325 analog gilt (Wieczorek/Schütze/Mansel § 68 Rz 143).