Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
a) Punitive Damages.
Rn 27
Ein Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte kann in der Verurteilung zu Strafschadensersatz gesehen werden. Da hier die Sanktionswirkung einer Strafe ohne die rechtsstaatlichen Garantien eines geordneten Strafverfahrens eintritt und ein Einzelner an die Stelle des Bestrafungsmonopols des Staates tritt, verstößt der Strafschadensersatz gegen den ordre public. Da daneben auch das Rechtsprinzip des Bereicherungsverbots durch Strafschadensersatz verletzt wird (BGHZ 118, 312, 338/343 = NJW 92, 3096), wäre ein entsprechendes Urt selbst bei Beachtung der Garantien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens nicht anerkennungsfähig. Sofern hingegen durch den Strafschadensersatz nicht besonders abgegoltene oder schlecht nachweisbare wirtschaftliche Nachteile pauschal ausgeglichen oder vom Schädiger durch die unerlaubte Handlung erzielte Gewinne abgeschöpft werden sollen (eine Rechtfolge, die zB mit § 10 UWG auch Eingang ins deutsche Recht gefunden hat) kommt ausnahmsweise auch eine Anerkennung von ›punitive damages‹ in Betracht (BGH NJW 92, 3096, 3098 [BGH 04.06.1992 - IX ZR 149/91]).
b) Spiel und Wette.
Rn 28
Zu den Fällen, bei denen ein Verstoß gegen den ordre public angenommen wird, ohne dass Grundrechte betroffen wären, zählen Urteile über Wett- und Spielschulden (Hamm NJW-RR 97, 1007, 1008 [OLG Hamm 29.01.1997 - 31 U 145/96]). Da manche Spielschulden auch nach deutschem Recht einklagbar sind (§ 763 BGB), wird man aber dem Ausland das Recht zugestehen müssen, andere Ausnahmen vorzusehen, oder sie nicht nur im Einzelfall, sondern allg anzuordnen. Grds ist zu berücksichtigen, dass § 762 BGB nicht die Missbilligung eines Spielgewinns bezweckt, denn ansonsten wäre die Rückforderung nicht ausgeschlossen. Das deutsche Recht verweigert aber innerhalb des Spielverhältnisses den Rechtsschutz, sodass trotz einer denkbaren Anerkennung eines Urteils über Spielschulden zumindest die Vollstreckung im Inland in jedem Fall ausgeschlossen ist. Die Unklagbarkeit von Börsentermingeschäften (§ 764 BGB aF) gehört seit 1989 nicht mehr zum deutschen ordre public (BGH NJW-RR 05, 1071, 1073 [BGH 25.01.2005 - XI ZR 78/04]).
c) Prozessbetrug.
Rn 29
Schließlich widerspricht es dem deutschen ordre public, erschlichenen oder durch Straftaten erlangten Entscheidungen zur Wirkung im Inland zu verhelfen (BGH WM 86, 1370, 1371; BayObLG FamRZ 00, 836, 837; Zö/Geimer § 328 Rz 260). Auch die Rechtskraft zählt zu den wesentlichen Grundsätzen (vgl § 328 I Nr 3) des deutschen Rechts (B/L/H/A/G/Weber § 328 Rz 26). Wenn daher bei einer unzulässigen Beeinflussung des Gerichts das ausl Recht der Rechtskraft den höheren Stellenwert einräumt, ist äußerste Zurückhaltung geboten, dem ausl Gericht einen weitergehenden Schutz zu gewähren, als ihn sein eigenes Recht vorsieht.
d) Pre-Trial-Discovery.
Rn 30
Umstritten ist die Behandlung der pre-trial-discovery des US-amerikanischen Zivilprozessrechts. Der BGH nimmt nicht generell einen Verstoß gegen den prozessualen ordre public an, da die bloße Möglichkeit, dass hierbei eine nach deutschem Prozessrecht unzulässige Ausforschung erreicht wird, die Voraussetzungen des § 328 I Nr 4 nicht erfülle. Es bedarf daher stets einer Einzelfallprüfung, ob die Verwertung der Beweisergebnisse aus der pre-trial-discovery mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts und dem Wert der gerichtlichen Wahrheitsfindung offensichtlich unvereinbar ist (BGHZ 118, 312 = NJW 92, 3096; umf hierzu Roffman/Emer/Kräft GWR 18, 343; aA Wieczorek/Schütze/Schütze § 328 Rz 47). Auch sonstige Verfahrensabweichungen, wie eine unterschiedliche Gestaltung der Beweisaufnahme (cross-examination), fehlende Mündlichkeit, das Verfahren vor einer Jury oder die Kostentragung unabhängig vom Obsiegen oder Unterliegen (BGHZ 118, 312 = NJW 92, 3096; BVerfG RIW 07, 211), sind für sich gesehen keine Aspekte, die einen Verstoß gegen den ordre public begründen (Wieczorek/Schütze/Schütze § 328 Rz 47; St/J/Roth § 328 Rz 112).
e) Class Action.
Rn 31
Grds stellt die rechtspolitische Entscheidung für eine Zulassung von Sammelklagen in bestimmten Verfahren für sich gesehen noch keinen Verstoß gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats dar, solange auch im class-action-Verfahren unabdingbare Verteidigungsrechte gewahrt bleiben. Deshalb kann nicht jeder class action von vornherein die Zustellung versagt werden (BVerfG NJW 07, 3709, 3711 [BVerfG 14.06.2007 - 2 BvR 2247/06]). Die Anerkennungsfähigkeit von class-action-Urteilen ist jedoch zu verneinen, soweit es an der aktiven Beteiligung des einzelnen Mitglieds der class fehlt (LG Stuttgart IPRax 01, 240, 241 [LG Stuttgart 24.11.1999 - 24 O 192/99]). Da der Bekl keine Einwendungen gegen das einzelne Mitglied vorbringen kann, ist ihm kein dem deutschen Recht entsprechendes rechtliches Gehör gewährt, was einen Verstoß gegen den prozessualen ordre public begründet (Röhm/Schütze RIW 07, 241, 244). Dies schließt aber nicht aus, dass im Einzelfall zu prüfen ist, welche Rechte das Verfahren den nicht aktiv beteiligten class members geboten hat (dazu Hess JZ 00, 373, 379). Sofern die Möglichkeit...