Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Gesetzestext
(1) Die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ist ausgeschlossen:
1. |
wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig sind; |
2. |
wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsmäßig oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte; |
3. |
wenn das Urteil mit einem hier erlassenen oder einem anzuerkennenden früheren ausländischen Urteil oder wenn das ihm zugrunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist; |
4. |
wenn die Anerkennung des Urteils zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist; |
5. |
wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. |
(2) Die Vorschrift der Nummer 5 steht der Anerkennung des Urteils nicht entgegen, wenn das Urteil einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch betrifft und nach den deutschen Gesetzen ein Gerichtsstand im Inland nicht begründet war.
A. Grundlagen.
I. Normzweck.
Rn 1
Die Vorschrift regelt die Anerkennung von Sachentscheidungen eines ausl Gerichts in Zivilsachen. Sie bestimmt dem Wortlaut nach nur Anerkennungshindernisse; die Nr 1 und 5 werden jedoch als Anerkennungsvoraussetzungen verstanden, dh dass derjenige sie beweisen muss, der die Anerkennung begehrt (für Nr 1: Kobl RIW 04, 302, 303; für Nr 5: BGHZ 141, 286, 302 = NJW 99, 3198). Anerkennung bedeutet keine Gleichstellung ausl Urteile mit inländischen, sondern die Erstreckung der Wirkungen der Entscheidung auf das Inland. Im Gerichtsstaat unwirksame (nichtige) Urteile, entfalten daher auch im Inland keine Wirkung. Anfechtbarkeit (also nur potenzielle Unwirksamkeit) hindert die Anerkennung hingegen nicht (BGHZ 118, 312, 318 f = NJW 92, 3096). Das Prozessrecht des Urteilsstaats bestimmt auch die Urteilswirkungen, dem deutschen Recht unbekannte Wirkungen treten jedoch nicht ein. Zu den anerkennungsfähigen Wirkungen können insb zählen: die Rechtskraftwirkung (eine Klage über denselben Streitgegenstand ist unzulässig, s § 322 Rn 14), die Gestaltungswirkung (beachte aber bspw Art 7 § 1 FamRÄndG), Drittwirkungen (Interventions-, Streitverkündungswirkung und Wirkung für Rechtsnachfolger), jedoch idR keine Tatbestandswirkung, dh ein anderes Gericht ist an die Tatsachenfeststellungen nicht gebunden (umf MüKoZPO/Gottwald § 328 Rz 166 ff). Für die Vollstreckung im Inland gilt § 722.
II. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Vorschrift gilt nur für Sachentscheidungen eines Gerichts in Zivilsachen. Nicht anerkennungsfähig sind folglich Zwischenurteile über prozessuale Fragen. Aus § 723 II 1 wird gefolgert, dass nach dem geltenden ausl Prozessrecht formelle Rechtskraft eingetreten sein muss (Musielak/Voit/Stadler § 328 Rz 5). Diese Vorschrift besagt jedoch nur, dass eine vorläufige Vollstreckbarkeit zur Erstreckung der Vollstreckbarkeitswirkung im Inland nicht genügt (BGH NJW 86, 1440 [BGH 06.11.1985 - IVb ZR 73/84]; BGH NJW 93, 1270 [BGH 15.10.1992 - IX ZR 231/91]; s § 722 Rn 4). Endgültige Sachentscheidungen sind auch Abänderungsurteile, Versäumnisurteile, Vollstreckungsbescheide und Kostenfestsetzungsbeschlüsse, nicht hingegen Vorbehaltsurteile.
Rn 3
Wegen ihrer Vorläufigkeit wird auch Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz tw die Anerkennungsfähigkeit versagt (BGH NJW-RR 07, 1573; Musielak/Voit/Stadler § 328 Rz 5; aA Gottwald FamRZ 87, 780), es sei denn, dass die Hauptsache vorweggenommen wurde (B/L/H/A/G/Weber § 328 Rz 11; ThoPu/Hüßtege § 328 Rz 2) oder sie nach erststaatlichem Recht ausnahmsweise geeignet sind, die Streitsache de facto endgültig zu erledigen (Zö/Geimer § 328 Rz 70; St/J/Roth § 328 Rz 56). Die Vorschrift des § 922 I 1 gibt jedoch zu erkennen, dass Maßnahmen deutscher Gerichte im einstweiligen Rechtsschutz Anerkennung im Ausland anstreben. Da die Anerkennung im Ausland regelmäßig nur dann erwartet werden kann, wenn Gegenseitigkeit besteht (vgl Nr 5), müssen entsprechende Maßnahmen ausl Gerichte auch im Inland anerkennungsfähig sein, jedenfalls dann, wenn dem Antragsgegner rechtliches Gehör gewährt wurde (zutr Stürner ZZP 125 [2012], 3, 21 ff). Dem entspricht es, dass auch im Geltungsbereich des Art 32 EuGVO die Anerkennung von Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz vorgesehen ist (EuGHE 95, I-2113 – Hengst/Campese; BGH NJW-RR 07, 1573 [BGH 21.12.2006 - IX ZB 150/05]), jedenfalls soweit die Entscheidungen nach Anhörung des Antragsgegners ergangen sind (umf dazu Wieczorek/Schütze/Schütze § 328 Rz 78).
Rn 4
Des Weiteren sind nur Entscheidungen eines Gerichts anerkennungsfähig, also einer ›mit staatlicher Autorität bekleideten Stelle, die nach den in Frage kommenden ausl Gesetzen auf Grund eines prozessualen Verfahrens zur Entscheidung von privatrechtlichen Streitigkeiten berufen ist‹ (BGHZ 20, 323, 329 = NJW 56, 1436; Zimmermann § 328 Rz 4). Damit sind Entscheidungen der Verwaltung (anders: Art 7 § 1 ...