Gesetzestext
1Für Klagen gegen den Inhaber einer im Anhang 1 des Umwelthaftungsgesetzes genannten Anlage, mit denen der Ersatz eines durch eine Umwelteinwirkung verursachten Schadens geltend gemacht wird, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Umwelteinwirkung von der Anlage ausgegangen ist. 2Dies gilt nicht, wenn die Anlage im Ausland belegen ist.
A. Normzweck und dogmatische Einordnung.
Rn 1
§ 32a beruht auf der typisierenden Annahme des Gesetzgebers, dass bei umweltbezogenen Schadensersatzprozessen die Aufklärung des Sachverhaltes am Ort der Anlage sachnäher und kostengünstiger erfolgen kann (Prinzip der Sachnähe; Pfeiffer ZZP 106, 159, 160). Durch die Ausgestaltung als ausschließlicher Gerichtsstand und internationale Zuständigkeitsregelung wird zudem dem ordnungspolitischen Regelungsanliegen des Gesetzgebers, dass über die Zuständigkeitsregelung eine möglichst effektive und weitreichende Geltung der materiell-rechtlichen deutschen Umweltschutzstandards auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten herbeigeführt werden soll, Rechnung getragen (Pfeiffer ZZP 106, 159, 160).
B. Tatbestandsmerkmale.
I. Eine im Anhang 1 des Umwelthaftungsgesetzes genannte Anlage.
Rn 2
Das Merkmal der Anlage ist in § 3 II, III UmweltHG legaldefiniert. Diese Definition, die durch die Erfassung von Nebeneinrichtungen sowie ortveränderlicher Einrichtungen, die mit der Anlage oder einem Anlagenteil in einem räumlichen oder betriebstechnischen Zusammenhang stehen können (§ 3 III UmweltHG), über den natürlichen Wortsinn hinausgeht, ist auf Grund des in § 32a angelegten Verweises auf das UmweltHG zuständigkeitsrechtlich maßgebend. Der Verweis auf die Anlage 1 des UmweltHG bringt zum Ausdruck, dass das Enumerationsprinzip gilt, so dass Einrichtungen, die nicht in Anlage 1 aufgeführt sind, aus dem Anwendungsbereich des § 32a ausgenommen sind (St/J/Roth § 32a Rz 13). Ferner fallen unter den weiteren Voraussetzungen des § 2 UmweltHG – ebenfalls in Abweichung vom natürlichen Wortsinn – noch nicht fertiggestellte oder nicht mehr betriebene Anlagen in den Anwendungsbereich des § 32a.
II. Inhaber.
Rn 3
Tauglicher Bekl iRd § 32a ist der ›Inhaber‹. Der Inhaberbegriff ist im UmweltHG nicht legaldefiniert. Nach hM ist er nicht formal, sondern eher weit zu bestimmen. Da die Begriffe des Betreibers und Inhabers im öffentlichen Recht nicht stets strikt voneinander getrennt werden und für die Auslegung des Merkmals das der zivilrechtlichen Haftung nach dem UmweltHG zu Grunde liegende Prinzip der Gefährdungshaftung ausschlaggebend sein muss, wonach die Haftung Korrelat für die Erlaubnis einer gefahrträchtigen Tätigkeit ist, ist Inhaber iSd § 32a demnach, wer die Anlage auf eigene Rechnung in Gebrauch hat und die tatsächliche Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt (Zö/Schultzky § 32a Rz 5; B/L/H/A/G/Bünnigmann § 32a Rz 4; ThoPu/Hüßtege § 32a Rz 3; OVG Münster Beschl v 14.10.14 – 9 A 265/12, Rz 32 – juris zu § 1 UmweltHG; BGHZ 80, 1, 4 zu § 22 II WHG).
III. Geltendmachung des Ersatzes eines durch eine Umwelteinwirkung verursachten Schadens.
Rn 4
§ 32a ist, wie sich aus seinem weit gefassten Wortlaut ergibt, nicht nur auf Anspruchsgrundlagen aus dem UmweltHG beschränkt, sondern erfasst alle Ansprüche, die bei Schäden infolge von durch die Anlage verursachten Umwelteinwirkungen entstehen können (wie zB § 906 II 2 BGB), gleich aus welchem Rechtsgrund. Neben dem Wortlaut ergibt sich dies nach ganz hM aus dem Willen des Gesetzgebers und dem Aspekt der Prozessökonomie, der sachwidrigen Zuständigkeitsspaltungen entgegensteht (Pfeiffer ZZP 106, 159, 162f). Der Wortlaut lässt es unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie zu, den Auskunftsanspruch des Geschädigten (§ 8 UmweltHG) unter § 32a zu subsumieren, da auch er zur Geltendmachung des Schadens gehört (Zö/Schultzky § 32a Rz 7; aA Pfeiffer ZZP 106, 159, 161f).
IV. Das Gericht, in dessen Bezirk die Umwelteinwirkung von der Anlage ausgegangen ist.
Rn 5
Teilweise wird der Normtext hinsichtlich dieses Merkmals für unpräzise gehalten, da – was angesichts der Notwendigkeit klarer Zuständigkeitstatbestände misslich sei – wertend bestimmt werden müsse, ob es auf den Ort der Einwirkung oder auf den der Freisetzung ankomme (B/L/H/A/G/Bünnigmann § 32a Rz 2). Mit Blick auf den (verhaltenssteuernden) Regelungszweck kann es indes keinem Zweifel unterliegen, dass es stets auf den Ort der Anlage ankommt, an welchem die für die Umwelteinwirkung maßgebliche Ursache gesetzt wurde.
V. Anwendbarkeit, Internationale Zuständigkeit.
Rn 6
Aus § 32a S 2, wonach bei im Ausland belegenen Anlagen keine Zuständigkeit gem § 32a eröffnet ist, ergibt sich nach hM zu Recht, dass § 32a neben der örtlichen Zuständigkeit auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte regelt (Pfeiffer ZZP 106, 159, 166 f; krit St/J/Roth § 32a Rz 24). Im Anwendungsbereich der EuGVVO wird § 32a allerdings durch Art 5 Nr 3 (= Art 7 Nr 2 EuGVVO in der seit dem 10.1.15 geltenden Fassung) verdrängt.