Gesetzestext
(1) Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.
(2) Dies gilt nicht, wenn für eine Klage wegen des Gegenanspruchs die Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 40 Abs. 2 unzulässig ist.
A. Normgegenstand.
I. Bedeutung des § 33 I.
Rn 1
Die Bedeutung des § 33 ist seit langem in Rspr und Lit umstr. Der Meinungsstreit liegt in einem unterschiedlichen Verständnis von dem in § 33 I vorausgesetzten Zusammenhang zwischen Klage und Widerklage (Sachzusammenhang/Konnexität) begründet. Der BGH in stRspr vertritt die Auffassung, dass dieser Sachzusammenhang eine besondere Prozessvoraussetzung für die Widerklage darstelle (BGHZ 40, 185, 187; NJW 75, 1228; BGHZ 147, 220, 224f). Eine nicht konnexe Widerklage kann danach weder am Gerichtsstand des § 33 noch an einem anderen Gerichtsstand geltend gemacht werden, auch nicht bei einer rügelosen Einlassung nach § 39 (zur Heilungsmöglichkeit s aber Rn 34). Diese Auffassung findet ihre Stütze im Wortlaut der Vorschrift (›kann‹ eine Widerklage erhoben werden, ›wenn‹ der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht). Die überwiegende Meinung in der Lit leitet aus der Stellung des § 33 innerhalb der Gerichtsstandsregelungen und aus der amtlichen Überschrift ab, dass es sich lediglich um einen zusätzlichen besonderen Gerichtsstand handelt, der neben anderen besonderen und allg Gerichtsständen besteht. Der Sachzusammenhang wird deshalb als eine Tatbestandsvoraussetzung des § 33 verstanden, nicht aber von Widerklagen im Allg. Bei fehlendem Sachzusammenhang zwischen Klage und Widerklage ist nach dieser Auffassung nur die Berufung auf den besonderen Gerichtsstand nach § 33, nicht dagegen auf einen anderen allg oder besonderen Gerichtsstand ausgeschlossen (Zö/Schultzky Rz 1; Musielak/Heinrich Rz 2a; ThoPu/Hüßtege Rz 1; St/J/Roth Rz 2 ff; MüKoZPO/Patzina Rz 2; R/S/G § 95 Rz 21; ebenso Zweibr NJW-RR 00, 590 [OLG Zweibrücken 30.04.1999 - 2 AR 18/99]; Frankf GRUR-RR 12, 392; vermittelnd Rimmelspacher FS Lüke, 655, 660, 673). Der Meinungsstreit hat nur geringe praktische Bedeutung, da der Begriff des Sachzusammenhangs von beiden Ansichten in einem weiten Sinne verstanden wird (Rn 14) und selbst ein fehlender Sachzusammenhang durch ein rügeloses Verhandeln ersetzt werden kann (Rn 34). Die vorliegende Kommentierung orientiert sich wegen ihrer strengen Praxisausrichtung an der Rspr des BGH, die dogmatisch vertretbar ist. Eine Änderung dieser Rspr steht nicht zu erwarten.
II. Normzweck.
Rn 2
Im Gegensatz zur Bedeutung des § 33 I besteht über dessen Zweck in Rspr und Lit weitgehend Einigkeit. Durch § 33 I soll die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen vermieden werden. Zusammengehörende Ansprüche sollen iSd Prozessökonomie einheitlich verhandelt und entschieden werden können (allgM; BGHZ 40, 185, 188; 147, 220, 222; NJW 19, 1610; Zö/Schultzky Rz 2; Musielak/Heinrich Rz 1). Damit soll auch der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen vorgebeugt werden (BGHZ 40, 185, 188, 190; Zö/Schultzky Rz 2; Musielak/Heinrich Rz 1; ThoPu/Hüßtege Rz 2). Die Vorschrift trägt darüber hinaus dem Gedanken der prozessualen Waffengleichheit Rechnung, indem sie dem Bekl am Ort der Klage das Recht zu einem Gegenangriff einräumt (vgl Zö/Schultzky Rz 2; Musielak/Heinrich Rz 1; MüKoZPO/Patzina Rz 1; Pfaff ZZP 96, 334, 352; Hau ZZP 117, 31, 34). Der Kläger soll demgegenüber nicht privilegiert werden, weshalb eine analoge Anwendung des § 33 zugunsten eines bei einem unzuständigen Gericht klagenden Klägers allein aufgrund einer Widerklage nicht in Betracht kommt (Hambg OLGR 06, 416, dort auch zur Möglichkeit einer Gesamtverweisung des Rechtsstreits). § 33 II enthält eine Beschränkung des Anwendungsbereichs im Hinblick auf nichtvermögensrechtliche Ansprüche, die den Amtsgerichten ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesen sind (§ 33 II iVm § 40 II Nr 1) und auf Ansprüche, für die eine ausschließliche Zuständigkeit besteht (§ 33 II iVm § 40 II Nr 2). Beachte insoweit aber § 29c III (s dort Rn 6) und § 215 II VVG.
B. Widerklage.
I. Begriff und Rechtsnatur.
Rn 3
Eine gesetzliche Definition der Widerklage existiert nicht. Die ZPO setzt ihre grds Zulässigkeit voraus (BGHZ 149, 222, 226). Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Rspr zur Drittwiderklage (Rn 18 ff) kann heute folgende Begriffsbestimmung zugrunde gelegt werden: Widerklage ist die während der Rechtshängigkeit einer Streitsache von dem Bekl (Widerkläger) gegen den Kl (Widerbekl) und/oder gegen einen Dritten (Drittwiderbekl) beim Gericht der Hauptklage erhobene Klage (so richtig Zö/Schultzky Rz 9; aA ThoPu/Hüßtege Rz 8; zur Besonderheit bei der Entstehung eines Widerklageverhältnisses durch Prozessverbindung s Rn 26). Die Widerklage ist eine echte Klage; der Widerkläger erlangt nach zulässiger Erhebung der Widerklage die gleiche Rechtsstellung wie bei einer selbstständig erhobenen Klage (all...