Rn 29
Der Bekl muss gegen die Obliegenheit, seinen Verteidigungswillen innerhalb einer ihm nach § 276 I 1, 3 gesetzten Frist anzuzeigen, verstoßen haben. Das begründet die ges Vermutung, dass die Sache unstr bleibt und durch Versäumnisurteil entschieden werden kann. Die fristgemäß beim Gericht eingegangene Anzeige schließt den Erlass des Versäumnisurteils in jedem Falle aus (BTDrs 7/2729, 80). Auf die Kenntnis der zuständigen Richter kommt es nicht an (Musielak/Voit/Stadler Rz 20). Die verspätete Anzeige widerlegt ebenfalls die ges Vermutung, so dass kein Versäumnisurteil mehr ergehen darf, wenn es noch nicht erlassen worden ist. Auch hier kommt es auf den Eingang bei Gericht, nicht in der Geschäftsstelle des zuständigen Spruchkörpers an (sehr str – wie hier: Ddorf JR 97, 161, 162 [OLG Düsseldorf 18.06.1996 - 10 W 53/96]; Frankf MDR 00, 902 [OLG Nürnberg 14.04.2000 - 13 W 3985/99]; aA KG MDR 89, 1003 [KG Berlin 04.08.1989 - 24 W 4762/89]). Organisatorische Mängel bei der Postbeförderung innerhalb der Gerichte dürfen sich aber nicht zu Lasten der Partei auswirken.
Rn 30
Für den Inhalt der Verteidigungsanzeige gelten keine besonderen Anforderungen. Es muss in irgendeiner Weise zum Ausdruck kommen, dass der Bekl sich gegen die Klage zur Wehr setzen will, wofür bereits die Vertretungsanzeige eines Anwalts genügt (BTDrs 7/2729, 80). Die Erklärung unterliegt im Anwaltsprozess dem Anwaltszwang (§ 276 II 1 iVm § 78 I 1). Im Parteiprozess muss die Verteidigungsanzeige durch die Partei selbst oder einen Bevollmächtigten erfolgen. Die Anzeige eines Dritten ist unwirksam (vgl LG Düsseldorf JurBüro 88, 1563); die Anzeige eines nach § 79 II nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigen dagegen nach § 79 III 2 wirksam, wenn sie – wie in der Regel – vor einem Zurückweisungsbeschluss nach § 79 III 1 erfolgt.
Rn 31
Der Verteidigungsanzeige steht ein Prozesskostenhilfegesuch des Bekl gleich. Der von der Partei im Anwaltsprozess eingereichte Antrag hindert zwar nicht die Versäumung der ›Notfrist‹ nach § 276 I 1; die Lösung dieser Fälle liegt hier aber nicht in der Wiedereinsetzung (so aber BTDrs 7/2729, 70), die nur die versäumte Frist, jedoch nicht ein als Sachurteil ergangenes Versäumnisurteil wieder beseitigen könnte (KG NJW-RR 97, 56 mwN), sondern in der Annahme unverschuldeter Fristversäumung analog § 337 S 1 (vgl Brandbg NJW-RR 02, 285, 286 [OLG Brandenburg 27.02.2001 - 11 W 15/01]; Bergerfurth JZ 78, 298, 299; Hartmann NJW 78, 1457, 1460; Kramer ZZP 91, 77, 77).
Rn 32
Der Widerspruch gegen einen Mahnbescheid (§ 694) ersetzt dagegen seit dem Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17.12.90 (BGBl I 2847) die Verteidigungsanzeige nicht mehr, wenn nach Eingang der Anspruchsbegründung das schriftliche Vorverfahren angeordnet wird (§ 697 II 2), worauf der Bekl hinzuweisen ist (Hansens NJW 91, 983, 986 [BGH 24.01.1991 - IX ZR 250/89]; Holch NJW 91, 3177, 3178).
Rn 33
Der Erlass eines Versäumnisurteils ist – erst recht – zulässig, wenn der Bekl erklärt, dass er der Klage nicht entgegentreten will (BTDrs 7/2729, 80). Dasselbe gilt nach dem Zweck des Gesetzes (Rn 1), wenn der Bekl seine Verteidigungsanzeige zurücknimmt oder widerruft (vgl Stoffel/Strauch NJW 97, 2372 [BVerwG 26.06.1997 - BVerwG 7 C 11/96]; Fischer NJW 04, 909, 910; St/J/Leipold § 276 Rz 31; Wieczorek/Schütze/Büscher Rz 63; aA MüKoZPO/Prütting Rz 43).