Gesetzestext

 

1Das Gericht vertagt die Verhandlung über den Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils oder einer Entscheidung nach Lage der Akten, wenn es dafür hält, dass die von dem Vorsitzenden bestimmte Einlassungs- oder Ladungsfrist zu kurz bemessen oder dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist. 2Die nicht erschienene Partei ist zu dem neuen Termin zu laden.

A. Entstehungsgeschichte und Normzweck.

 

Rn 1

Die Norm in der bis 1. Juli 1977 geltenden Fassung befugte das Gericht zur Vertagung, wenn es nach den Umständen zu dem Schluss gelangte, dass die vom Vorsitzenden bestimmten Fristen zu knapp bemessen oder die nicht erschienene Partei durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle am Erscheinen verhindert war.

Die Vereinfachungsnovelle (BGBl 76, I 3281) hat den Anwendungsbereich der Vorschrift auf alle Fälle schuldloser Verhinderung am Erscheinen erweitert. Die Norm dient damit der Sicherung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör (Musielak/Voit/Stadler Rz 1; Zö/Herget Rz 1). Liegen die in § 337 S 1 genannten Voraussetzungen vor, darf das Gericht dem Antrag des erschienenen Gegners auf Erlass des Versäumnisurteils oder einer Entscheidung nach Lage der Akten nicht entsprechen, sondern muss vertagen.

B. Zu kurze richterliche Frist.

 

Rn 2

Die Vorschrift bezieht sich nach allgM ausschließlich auf richterlich gesetzte, jedoch nicht auf die gesetzlich bestimmten Ladungs- und Einlassungsfristen (§§ 217, 274 Abs 3), die nicht zu kurz bemessen sein können. Eine richterliche Frist ist zu kurz bemessen, wenn die nicht erschienene Partei auch einen erheblichen Grund für eine Vertagung iSv § 227 vorbringen könnte (vgl MüKoZPO/Prütting Rz 2; Zö/Herget Rz 2).

 

Rn 3

§ 337 ist auch in den Fällen des § 333 anzuwenden, also wenn die Partei zwar erschienen ist, aber nicht verhandelt (BGH NJW 16, 3248 f [BGH 12.07.2016 - VIII ZB 25/15]; Köln MDR 00, 657, 658; MüKoZPO/Prütting Rz 6; Hamm NJW 91, 1067 [OLG Hamm 11.09.1990 - 7 U 69/90]; Musielak/Voit/Stadler Rz 1; B/L/H/A/G/Anders Rz 3).

C. Unverschuldete Säumnis.

I. Hinderungsgründe in der Sphäre der säumigen Partei.

 

Rn 4

Die Säumnis der Partei ist unverschuldet, wenn diese auf Grund kurzfristiger und nicht vorhersehbarer Umstände den Verhandlungstermin nicht oder jedenfalls nicht zur anberaumten Zeit wahrnehmen kann. Derartige Hinderungsgründe können sich aus Verkehrsproblemen – Verkehrsstaus, Zugverspätungen (BGH NJW 99, 724 [BGH 19.11.1998 - IX ZR 152/98]; Celle NJW 04, 2534, 2535 [OLG Celle 24.06.2004 - 11 U 57/04]; OLGR Naumbg 02, 450 LS) –, Erkrankungen oder Unfällen (BGH NJW 06, 448; KG MDR 99, 185) ergeben. Die betroffene Partei muss jedoch das ihr Zumutbare und Mögliche tun, um ihre Verhinderung dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen; andernfalls ist die Säumnis verschuldet (BGH NJW 06, 448, 449; 09, 687, 688; ZIP 15, 2192). Eine unverschuldete Säumnis ist nicht gegeben, wenn die ordnungsgemäß geladene Partei wegen der vermeintlich fehlerhaften Behandlung eines Befangenheitsgesuchs der mündlichen Verhandlung fernbleibt. Das Gericht ist nicht verpflichtet, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des BVerfG auszusetzen, wenn eine Partei gegen den Beschluss, durch den ein Befangenheitsgesuch rechtskräftig abgewiesen wurde, Verfassungsbeschwerde eingelegt hat (BGH NJW 18, 3252 [BGH 05.07.2018 - IX ZR 264/17] Rz 10 ff).

 

Rn 5

Die rechtzeitig angezeigte, unvorhergesehene persönliche Verhinderung des sachbearbeiteten Anwalts ist idR unverschuldet, da dies ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung (s.o. § 227 Rn 3). ist. Dieser muss (entgegen KG MDR 08, 998, 999 [KG Berlin 18.03.2008 - 12 U 27/08]) weder kurzfristig für einen Terminsvertreter sorgen noch sich zu diesem Zweck bereits bei Mandatsübernahme eine Untervollmacht erteilen lassen. Die Säumnis infolge Anwaltswechsels ist aber nur dann unverschuldet, wenn der Wechsel ohne ein Verschulden der Partei geschah (BGH NJW-RR 08, 876, 878 [BGH 03.03.2008 - II ZR 251/06]).

 

Rn 6

Eine geringfügige Verspätung von bis zu 15 Minuten ist – wenn die Partei dem Gericht den Willen zur Rechtsverfolgung oder Verteidigung schriftsätzlich mitgeteilt hat – als unverschuldet anzusehen. Eine kurze Wartepflicht des Gerichts ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz; die Grundsätze zu fairer Verfahrensgestaltung und zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art 20 III, 103 I GG) gebieten jedoch eine solche prozessuale Fürsorge des Gerichts ggü einer Partei, die ihre Mitwirkung im Verfahren angekündigt hat (vgl BGH NJW 99, 724 [BGH 19.11.1998 - IX ZR 152/98]; Stuttg MDR 85, 871, 872; Rostock MDR 99, 626, 627). Anders ist es, wenn die säumige Partei sich bisher in dem Rechtsstreit überhaupt nicht eingelassen hat (vgl OLGR München 07, 186, 187, das allerdings – zu Unrecht – eine Wartepflicht grds verneint).

II. Vom Gericht veranlasste Hinderungsgründe.

 

Rn 7

Unverschuldet ist die Säumnis, die auf Verfahrensfehlern oder Störungen im Geschäftsbetrieb des Gerichts beruht. Solche Fälle sind bspw fehlerhafte Aushänge im Gericht hinsichtlich des Saales oder der Terminszeit (Celle NJW-RR 00, 1017 [OLG Celle 31.03.1999 - 16 W 21/99]) oder ein unzumutbar verspäteter Aufruf der Sache (zum verfrühten Aufruf – s § 330 Rn 7...

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