Gesetzestext
Der Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen ist, steht gegen das Urteil der Einspruch zu.
A. Entstehungsgeschichte und Normzweck.
Rn 1
Der Einspruch ist ein von Angaben und Nachweisen zu Verhinderungsgründen unabhängiger Rechtsbehelf der säumig gewesenen Partei, der den Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumung befand (Mot zur CPO, 230 = Hahn/Mugdan, Materialien, 294). Die weite Zulässigkeit des Einspruchs ist das Korrelat zu den strengen Säumnisfolgen in §§ 330, 331, nach denen ein Sachurteil gegen den Kl ohne jede Prüfung, gegen den Bekl ohne eine Prüfung des anspruchsbegründenden tatsächlichen Vorbringens ergeht (Mot zur CPO, 234 = Hahn/Mugdan, Materialien, 296). Soweit der Einspruch statthaft ist, schließt er die Rechtsmittel der Berufung und der Revision aus (§ 514 II, § 565). Das Einspruchssystem des deutschen Rechts nimmt damit im Rechtsvergleich mit anderen europäischen Rechtsordnungen eine Sonderstellung ein (vgl Steinhauer, Versäumnisurteile in Europa, 137 ff).
Rn 2
Der durch das EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz vom 18.8.05 (BGBl I 2477) eingefügte S 2 ist durch Art 1 Nr 6, Art 21 des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5.12.12 (BGBl. I 2418) mit Wirkung vom 1.1.14 an aufgehoben und durch die allg Vorschrift über die Rechtsbehelfsbelehrung in § 232 ersetzt worden (zur Begr. BTDrs 17/10490, S 14f).
B. Statthaftigkeit des Einspruchs.
Rn 3
S 1 bestimmt die Statthaftigkeit des Einspruchs. Die Voraussetzungen seiner Zulässigkeit sind in §§ 339, 340 und dessen Rechtsfolge ist in § 342 normiert. Die anderen Vorschriften (§§ 340a bis 341a und §§ 343, 344) regeln das gerichtliche Verfahren und die Entscheidungen vor und nach Prüfung des Einspruchs.
I. Einspruchsführer.
Rn 4
Der Einspruch steht nur der säumig gewesenen Partei, nicht dem Gegner, zu (Naumbg NJW-RR 03, 212 [OLG Naumburg 17.04.2002 - 9 W 8/02]). Der Rechtsbehelf kann auch von einer nicht verklagten, aber im Urt bezeichneten Scheinpartei eingelegt werden (BGHZ 4, 328, 332; NJW-RR 95, 764, 765). Für den Einspruch fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn auch für die Scheinpartei nur eine offenkundig unrichtige und durch Berichtigung nach § 319 I zu behebende Falschbezeichnung der richtigen Partei vorliegt (Kobl NJW-RR 97, 1352 [OLG Koblenz 23.09.1996 - 5 W 429/96]; LG Frankfurt aM NJW-RR 02, 213, 214 [LG Frankfurt am Main 10.08.2001 - 3/11 O 190/00]); das gilt jedoch nicht, wenn das Urt sich gegen sie richtet (Stuttg NJW-RR 09, 1364).
II. Änderung des Ausspruchs im Versäumnisurteil.
Rn 5
IdR begehrt der Einspruchsführer mit der Aufhebung des Versäumnisurteils auch die Beseitigung einer materiellen Beschwer. Das muss jedoch nicht so sein. Da der Einspruch die Säumnisfolgen beseitigt (§ 342), kann er von dem säumig gewesen Kl dazu eingelegt werden, um eine Klageänderung (§ 263) oder einen Parteiwechsel herbeizuführen (Köln NJW-RR 03, 1408 [KG Berlin 05.02.2002 - 5 U 178/01]). Zur Teilanfechtung s § 340 Rn 8.
III. Der Erlass eines Versäumnisurteils.
Rn 6
Der Einspruch setzt wie ein Rechtsmittel den Erlass des Versäumnisurteils voraus. Ein vorher eingelegter Einspruch ist unwirksam (RGZ 110, 169, 170). Das gilt für die nach § 311 verkündeten Versäumnisurteile. Für die Versäumnisurteile im schriftlichen Vorverfahren nach § 331 III, die nach § 310 III erst mit Zustellung an beide Parteien (s § 331 Rn 36) wirksam werden, ist der Einspruch jedenfalls nach Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung (BGH NJW 94, 3359, 3360 [BGH 05.10.1994 - XII ZB 90/94]; Brandbg NJW-RR 96, 766, 767) statthaft. Nach Zustellung an die unterlegene Partei ist der Einspruch, selbst wenn das Versäumnisurteil nicht verkündet oder an den Gegner zugestellt worden ist, schon zur Beseitigung des Rechtsscheins eines Versäumnisurteils statthaft (Zugehör NJW 92, 2261, 2263; vgl allg BGH NJW 95, 404 [BGH 03.11.1994 - LwZB 5/94]; NZG 17, 394 [BGH 19.01.2017 - VII ZR 112/14]).
IV. Auf Säumnis der Partei beruhendes Urteil.
Rn 7
Nur die auf der Säumnis beruhende Entscheidung ist mit dem Einspruch anfechtbar. Ob ein Versäumnisurteil ergangen ist, bestimmt sich nicht nach der Bezeichnung, sondern nach dem Inhalt der angefochtenen Entscheidung (BGH VersR 74, 99; 76, 251: NJW 94, 665, 99, 583 [BGH 03.12.1993 - V ZR 275/92], 584). Ist die Entscheidung eindeutig als Versäumnisurteil ergangen, soll sie auch dann nur mit dem Einspruch anzufechten sein, wenn sie entgegen § 313b I nicht als Versäumnisurteil bezeichnet worden ist (BGH NJW-RR 95, 257 [BGH 11.05.1994 - XII ZB 55/94]; zw aA Hamm NJW-RR 95, 186, 187 [OLG Hamm 18.01.1994 - 19 U 142/93]). Der Meistbegünstigungsgrundsatz ist dagegen einschlägig, wenn ein Verlautbarungsfehler vorliegt, also bspw ein kontradiktorisches Urt vom Gericht als Versäumnisurteil bezeichnet wird (BGH NJW 59, 1780 [BGH 10.06.1959 - IV ZA 24/59]) oder ein als Versäumnisurteil bezeichnetes Urt nach seinem Inhalt ein streitgemäßes Urt ist (BGH NJW 99, 583 [BGH 03.11.1998 - VI ZB 29/98]).
Rn 8
Einspruch ist auch gegen die gesetzeswidrig (insb unter Verletzung der §§ 334, 337) ergangenen Versäumnisurteile einzulegen (BGH NJW 94, 665 [BGH 03.12.1993 - V ZR 275/92]; Zweibr NJW-RR 97, 1...