Rn 3

Ist nach der Geschäftsverteilung für die Bearbeitung einer Sache ein Proberichter (§ 12 DRiG) zuständig, der bei Eingang der Sache (so auch Zö/Greger Rz 6a; aA Stackmann JuS 08, 129, 132, der auf den Zeitpunkt der ersten mündlichen Verhandlung abstellt) über weniger als ein Jahr zivilrichterliche Erfahrung verfügt, ist gem Abs 1 S 2 Nr 1 die Kammer originär zuständig. Diese kann die Sache allerdings nach § 348a I auf den Proberichter übertragen. Der Jahreszeitraum richtet sich nach dem Geschäftsverteilungsplan. Urlaubs- und Krankheitszeiten sind nicht abzuziehen. Mehrere kürzere Zeiträume der Tätigkeit im Zivilrecht werden zusammengerechnet. Anzurechnen sind auch Zeiten als Familien- oder Arbeitsrichter sowie Zeiten, in denen der Richter nur tw mit Zivilsachen befasst oder teilzeitbeschäftigt war. Um mit Art 101 I 2 GG unvereinbare Beurteilungsspielräume auszuschließen, kann es auf den Umfang der Befassung mit Zivilsachen nicht ankommen (str, zum Meinungsstand vgl Zö/Greger Rz 6). Abs 1 S 2 Nr 1 findet im Beschwerdeverfahren (§ 568) keine entsprechende Anwendung (BGH NJW 03, 1875, 1876 [BGH 11.02.2003 - VIII ZB 56/02]).

 

Rn 4

Bei einem Dezernatswechsel gilt Folgendes: Übernimmt eine Proberichterin mit weniger als einem Jahr zivilrichterlicher Erfahrung das Dezernat eines Kollegen, der mehr als ein Jahr Erfahrung als Zivilrichter hat, werden die bisherigen Einzelrichtersachen ipso iure Kammersachen (vgl BTDrs 15/1491, 35; KG BauR 09, 1931 – rkr [BGH, Beschl v 27.8.09 – VII ZR 260/08]; Ddorf Beschl v 17.3.16 – 18 W 81/15 mwN; aA Streyl/Wietz NJW 17, 353 ff, die stets allein auf den Zeitpunkt des Klageeingangs abstellen möchten). Die Kammer kann die Sachen dann allerdings ggf wieder auf den Richter als Einzelrichter übertragen (§ 348a I). Vollendet der Proberichter das erste Jahr als Zivilrichter oder wird er durch eine Kollegin mit mehr als einem Jahr zivilrichterlicher Erfahrung ersetzt, so entfällt dadurch allerdings die Zuständigkeit der Kammer nicht (str; wie hier Stuttg Beschl v 9.2.21 – 7 W 100/20; Zö/Greger Rz 6a mN; s.a. Streyl/Wietz aaO). Dass es möglich sein soll, der einmal zuständig gewordenen Kammer gegen ihren Willen und mglw zu einem beliebigen Zeitpunkt (etwa noch nach mündlicher Verhandlung) die Entscheidungszuständigkeit zu entziehen, kann den §§ 348, 348a nicht entnommen werden.

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