Rn 5
Gem Abs 1 S 2 Nr 2 ist die Kammer originär zuständig, wenn der Rechtsstreit einem der dort genannten Rechtsgebiete entstammt und die Kammer für dieses Rechtsgebiet nach dem Geschäftsverteilungsplan oder nach § 72a I u II GVG (ab 1.1.18 bzw 1.1.21, s § 40a EGGVG und Rn 1) spezialzuständig ist. Der Verweis auf § 71a I u II GVG war bis 31.12.20 weiterhin als Verweis auf § 72a S 1 GVG zu lesen, weil die Änderung des § 72a GVG gem Art 10 G v 12.12.19 (BGBl I 2633) erst am 1.1.21 in Kraft getreten ist. Die Regelung des Abs 1 S 2 Nr. 2 ist insofern problematisch, als ein Mitglied einer Spezialkammer typischer Weise aufgrund der in der Spezialmaterie gewonnenen Erfahrung eher für eine Entscheidung als Einzelrichter geeignet sein dürfte als das Mitglied einer Kammer, die mit der gleichen Materie nur gelegentlich befasst wird (vgl MüKoZPO/Stackmann Rz 5). Soweit nicht § 72a S 1 GVG (ab 1.1.18) bzw § 72a I u II GVG (ab 1.1.21) die Einrichtung von Spezialkammern für bestimmte Materien (lit b, c, e und h; ab 1.1.21 auch lit a) verbindlich anordnet, liegt es im Ermessen des Präsidiums (§ 21e I 1 GVG), ob und in welchem Umfang ein Gericht Spezialkammern einrichtet. Das Präsidium kann die Spezialzuständigkeiten insoweit auch weiter oder enger als in Nr 2 vorgesehen fassen. Fasst es sie weiter, so besteht eine originäre Kammerzuständigkeit allerdings nur in den Sachen, die unter die gesetzliche Regelung fallen. Dagegen besteht ab 1.1.21 die originäre Kammerzuständigkeit auch in den Fällen des § 72a GVG nF, die nicht in Nr 2 aufgeführt sind (Erbrecht, insolvenzrechtliche Streitigkeiten und Beschwerden sowie Anfechtungssachen nach dem AnfG; vgl BTDrs 19/13828, 27 f und 31; wie hier LG Frankfurt, Beschl v 18.2.21 – 2-13 O 35/21; zweifelnd MüKoZPO/Stackmann Rz 5). Entscheidend für die Zuständigkeit der Kammer ist, dass sie aufgrund einer entsprechenden Sonderzuweisung im Geschäftsverteilungsplan für die Sache zuständig ist. Ist die Auslegung des Geschäftsverteilungsplans und deshalb die Zuständigkeit einer Kammer im Zweifel, so entscheidet das Präsidium (vgl § 21e GVG Rn 28). Ist die Kammer in jedem Fall zuständig, entscheidet sie selbst nach Abs 2. Für die Zuordnung des Rechtsstreits nach Nr 2 ist der Klagevortrag maßgeblich. Ausreichend ist, dass der Rechtsstreit tw in die Spezialzuständigkeit fällt. Fällt die Sache wegen einer nachträglichen Änderung des Streitgegenstands in ein Rechtsgebiet, für das die Zuständigkeit einer Spezialkammer vorgesehen ist, kommt es für die Frage der Zuständigkeit des Einzelrichters darauf an, ob der Geschäftsverteilungsplan für diesen Fall die Abgabe der Sache an die Spezialkammer vorsieht (str).
Rn 6
Die unter Buchstabe a genannten Sachgebiete umfassen auch Streitigkeiten über Veröffentlichungen im Internet (Karlsr FamRZ 16, 2138, 2139), über die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung nach den Pressegesetzen der Länder oder anderen Rechtsgrundlagen sowie Streitigkeiten aufgrund von Vereinbarungen aus den genannten Rechtsgebieten. Unter Buchstabe b fallen insb Ansprüche gegen eine Bank, Sparkasse, ein Kredit- oder Finanzinstitut, die sich aus dem allgemeinen Bankvertrag oder in § 1 KWG genannten Geschäften (ua Kredit-, Diskont-, Effekten-, Depot-, Investment-, Leasing- und Wertpapiergeschäfte, Terminkontrakte und Optionen) ergeben (vgl München MDR 14, 724, 725 [OLG München 02.04.2014 - 20 W 503/14]; zu § 119a 1 Nr 1 GVG vgl Hambg Beschl v 6.8.18 – 6 AR 10/18; Bambg NJW-RR 18, 1386, 1387 [OLG Bamberg 31.08.2018 - 2 ZIV AR 2/18]). Unter Buchstabe c fallen Streitigkeiten unabhängig von ihrer vertraglichen Qualifizierung (auch Dienstverträge und typengemischte Verträge), wenn der Anspruch aus einem Rechtsverhältnis herrührt, in dem eine Partei die Verpflichtung zur Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten übernommen hat. Die Vorschrift umfasst auch quasivertragliche Ansprüche (insb GoA) und bereicherungsrechtliche sowie deliktische Ansprüche, die aus Anlass der Durchführung eines Bauvorhabens geltend gemacht werden (zB § 823 II BGB iVm § 1 BauFordSiG). Buchstabe d eröffnet die originäre Kammerzuständigkeit für Regressansprüche gegen die Angehörigen der rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe, umfasst aber auch deren Vergütungsansprüche, weil diesen häufig Regressansprüche entgegengehalten werden. Buchstabe e umfasst vertragliche wie auch gesetzliche Ansprüche gegen Ärzte, Zahnärzte sowie weitere beruflich mit der Heilbehandlung befasste Personen wie etwa Heilpraktiker, Psychologen, Psychotherapeuten und Physiotherapeuten. Einbezogen sind auch Ansprüche auf Einsicht in Krankenunterlagen und die Vergütungsansprüche aus diesen Bereichen. Buchstabe f trägt der gesetzgeberischen Intention zur Einrichtung der Kammern für Handelssachen Rechnung. Erfasst sind insb Rechtsstreitigkeiten auf Grund der §§ 44–47 BörsenG sowie des UWG (zum MarkenG s Buchstabe k). Zu den Einzelheiten vgl § 95 GVG. Buchstabe f begründet auch für die meisten Transportrechtsstreitigkeiten eine origi...