Rn 3
Die Ausübung des Wahlrechts muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch konkludent durch die Einreichung einer Klageschrift bei dem angegangenen Gericht oder einer Widerklage oder durch die Bezeichnung eines Gerichts als für die Durchführung eines streitigen Verfahrens zuständig (vgl § 690 I Nr 5) im Mahnbescheidsantrag erfolgen (München MDR 07, 1154, 1155; Hamm MDR 12, 800, 801 [OLG Hamm 13.02.2012 - 32 SA 5/12]). Das Wahlrecht kann nicht vor Eintritt der Rechtshängigkeit ausgeübt werden und erlischt mit deren Eintritt (Hamm Beschl v 9.1.19 – 32 SA 7/19, Rz 10 – juris). Mit der Zustellung der Klageschrift bzw des Mahnbescheids im Mahnverfahren wird die vom Kl getroffene Wahl unter den zuständigen Gerichten bindend und grds unwiderruflich (BGH NJW 93, 2810 [BGH 22.06.1993 - X ARZ 340/93]; München MDR 07, 1154, 1155). Gleiches gilt für die Zustellung der Widerklage, die der am Wohnsitz in Anspruch genommene Bekl im Gerichtsstand des § 33 erhebt (Zweibr NJW-RR 00, 590f [OLG Zweibrücken 30.04.1999 - 2 AR 18/99]). Das Wahlrecht besteht grds nur zu Beginn eines Rechtsstreits, hingegen entsteht es nicht bei jedem Hinzutreten einer weiteren Beklagtenpartei neu, und zwar auch dann, wenn mit der Klageerweiterung die Klage gegen den zuerst Bekl zurückgenommen wird (Bambg Beschl v 8.8.18 – 8 SA 27/18 – juris). Im Zeitraum zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit bzw zwischen Einreichung des Mahnbescheidsantrags und dessen Zustellung besteht das mit der Einreichung der Klageschrift bzw des Mahnbescheidsantrags ausgeübte Wahlrecht fort, so dass es durch Bestimmung eines anderen örtlich zuständigen Gerichts erneut ausgeübt werden kann (München MDR 07, 1154, 1155). Im selbstständigen Beweisverfahren wird das Wahlrecht durch die Einreichung der Antragsschrift mit Bindungswirkung ausgeübt (Zweibr BauR 97, 885). Die im Arrest- bzw einstweiligen Verfügungsverfahren getroffene Wahl entfaltet nur für das Eilverfahren Wirkung und führt nicht zu einem Verbrauch des Wahlrechts für das Hauptsacheverfahren (Karlsr NJW 73, 1509, 1510 [OLG Karlsruhe 28.03.1973 - 6 U 3/72]). Grundsätzlich kommt ein Erlöschen des Wahlrechts denklogisch nur in Betracht, wenn das Wahlrecht zum Zeitpunkt seiner potenziellen Ausübung bereits bestand. Ist dies nicht der Fall, weil es etwa erst nach der Einreichung des Mahnbescheidsantrags zu einem Wechsel des allgemeinen Gerichtsstands des Bekl und dadurch zur Begründung eines zweiten Gerichtsstandes gekommen ist, kann die Gerichtsstandswahl noch bis zum Zeitpunkt der Zustellung der Anspruchsbegründung (zB durch Verweisungsantrag) ausgeübt werden (München MDR 07, 1154, 1155 [OLG München 23.11.2006 - 31 AR 138/06]; MDR 07, 1278, 1279). Ausnahmsweise kann der Kl nach Rechtshängigkeit noch von seinem Wahlrecht Gebrauch machen. Dies ist etwa der Fall, wenn er zunächst ein unzuständiges Gericht angerufen hatte, da eine Auswahl nur zum Erlöschen des Wahlrechts führen kann, wenn sie unter den zuständigen Gerichten erfolgt ist. In diesem Fall stellt der Verweisungsantrag an ein zuständiges Gericht die – endgültige – Ausübung des Wahlrechts dar (Hamm Beschl v 30.12.15 – I-32 SA 67/15, Rz 19 – juris; Schlesw MDR 07, 1280, 1281). Eine Ausnahme wurde auch bejaht, wenn der Kl erst nach der Klageerhebung erfährt, dass es weitere Schuldner gibt, die er gemeinsam mit der bereits verklagten Partei in einem besonderen Gerichtsstand (zB der unerlaubten Handlung) verklagen könnte, und seine nachträgliche Kenntniserlangung nicht darauf beruht, dass er die vor Klageerhebung – im eigenen Interesse – gebotenen Nachforschungen unterlassen hat (KG MDR 00, 413, 414). In diesem Fall hat der Gesichtspunkt der Prozessökonomie so großes Gewicht, dass die hiermit verbundene Belastung für die beklagte Partei von dieser hinzunehmen ist (KG MDR 00, 413, 414). Die wahlberechtigte Partei ist in der Ausübung ihres Wahlrechts grds frei (BGH MDR 14, 807 [BGH 12.09.2013 - I ZB 39/13]; Schlesw ZUM 14, 430). Allerdings darf die Ausübung nicht treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich sein (§ 242 BGB) (LG Aurich MMR 13, 249 f; Schleswig ZUM 14, 430). Dies ist in der Rspr für den Fall bejaht worden, dass Grund für die Wahl eines Gerichts die dem Kl günstige Rspr dieses Gerichts war (Hamm NJW 87, 138 [OLG Hamm 15.05.1986 - 4 U 326/85]). Dies überzeugt nicht. Solange das Wahlrecht nicht schikanös ausgeübt wird, kann es dem Wahlberechtigten nicht unter Rückgriff auf vorgeblich übergeordnete Interessen verwehrt sein, billigenswerte prozesstaktische Erwägungen in seine Auswahlentscheidung einfließen zu lassen, zu denen auch die voneinander abweichende Spruchpraxis verschiedener Gerichte oder die mutmaßliche Dauer der Verfahrenserledigung gehören kann (Schlesw ZUM 14, 430).