Rn 8
Aus dem Charakter des Augenscheins als echtes Beweismittel folgt des Weiteren, dass seine Einholung nur unter den für alle Beweisanträge geltenden Voraussetzungen abgelehnt werden kann (s § 284 Rn 43), oder wenn er nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist (§ 244 V StPO in analoger Anwendung). Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich das Gericht über das Augenscheinsobjekt dadurch verlässlich Gewissheit verschafft, dass die Parteien Lichtbilder vorlegen, deren Aussagekraft der Gegner nicht oder nicht ausreichend substanziiert bestreitet (Zö/Greger § 371 Rz 4). Außerdem ist der beantragte Augenschein auch dann abzulehnen, wenn seine Einholung unzulässig ist (§ 244 III 1 StPO analog). Letzteres kommt etwa dann in Betracht, wenn bei der Beschaffung des Beweismittels gegen Strafgesetze oder gegen das gem §§ 823, 1004 BGB zu schützende Selbstbestimmungsrecht verstoßen wurde, also zB bei heimlichen Tonbandaufnahmen, die unerlaubt aufgezeichnet und nunmehr im Zivilprozess im Wege des Augenscheins angehört werden sollen. Problematisch hierbei ist, dass nicht aus jedem Verstoß gegen anderweitige Vorschriften gleichsam automatisch ein Beweisverwertungsverbot erwächst. Vielmehr wird unter Anwendung der in der Rspr entwickelten Grundsätze eine Abwägung danach vorzunehmen sein, inwieweit durch die Beweisgewinnung in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen eingegriffen wird (Musielak/Huber § 371 Rz 16; BGH NJW 18, 2883 Rz 29). Stammt der Gegenstand des Augenscheins aus der Intimsphäre, so ist eine Verwertung ausgeschlossen. Wird hingegen in die schlichte Privatsphäre oder gar nur in die Sozialsphäre eines Betroffenen eingegriffen, so ist eine Abwägung der beteiligten Rechtsgüter anzustellen (s zur vorstehenden ›Sphärentheorie‹ BVerfG NJW 1990, 563 [BVerfG 14.09.1989 - 2 BvR 1062/87]). Da die Verwendung einer sog ›Dashcam‹ in einem PKW lediglich in die Sozialsphäre des Unfallgegners eingreift, ist die Verwertung so gewonnener Aufnahmen daher zulässig (BGH NJW 18, 2883 [BGH 15.05.2018 - VI ZR 233/17] Rz 43 ff). Im Arbeitsrecht ist anerkannt, dass eine – den Umständen nach verhältnismäßige – Videoüberwachung eines Arbeitnehmers zulässig sein kann, wenn der konkrete Verdacht von Straftaten des Arbeitnehmers zum Nachteil des Arbeitgebers besteht (BAG NJW 03, 3436, 3437 [BAG 27.03.2003 - 2 AZR 51/02]), nicht aber, wenn hierdurch gleichzeitig in die Persönlichkeitsrechte anderer Arbeitnehmer eingegriffen wird (Musielak/Huber § 371 Rz 16). Ist idS eine Abwägung zugunsten der Betroffenen und zu Lasten des Beweisführers vorzunehmen, so ist nicht nur das Beweismittel unverwertbar, sondern auch der in diesem Zusammenhang eingeführte Tatsachenvortrag (Ddorf OLGR Ddorf 01, 302, 303; Karlsr NJW 00, 1577, 1578 [OLG Karlsruhe 25.02.2000 - 10 U 221/99]).