Rn 16

Bei Beteiligung mindestens einer nicht prorogationsbefugten Partei am Rechtsverhältnis besteht im reinen ›Inlandsfall‹ die Möglichkeit zur Prorogation erst, wenn bereits eine Streitigkeit eingetreten ist. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber ein geringeres Schutzbedürfnis für Verbraucher erkannt und diesbzgl mehr Freiraum für Prorogationsvereinbarungen geschaffen. Dabei grenzt sich der Begriff der ›Streitigkeit‹ wortlautmäßig und vom Normzweck her konsequent von demjenigen des ›Rechtsstreits‹ ab, da die Gefahr einer unerkannten Übervorteilung des Verbrauchers durch eine Gerichtsstandsvereinbarung schon dann deutlich geringer ist, wenn zwischen den Parteien Meinungsverschiedenheiten über ein (potenziell) zwischen ihnen bestehendes Rechtsverhältnis aufgetreten sind (Geimer NJW 86, 1439; Keller Jura 08, 523, 526), ohne dass es insoweit bereits zur Klageeinreichung oder gar zur Klageerhebung gekommen sein muss. Diese Meinungsverschiedenheiten müssen sich aber auf ein bereits bestehendes und nicht erst auf ein durch Vertragsabschluss zu schaffendes Rechtsverhältnis beziehen, so dass auch im Falle von bereits im Vertragsabschlussstadium bestehenden Meinungsverschiedenheiten § 38 III Nr 1 ausscheidet, wenn die Gerichtsstandsabrede zugleich mit dem Vertrag abgeschlossen wird, dessen künftige Streitigkeiten sie regeln soll (BGH NJW 86, 1438, 1439; krit unter Erörterung von Ausnahmen hierzu: Geimer NJW 86, 1439f [BGH 20.01.1986 - II ZR 56/85]). Setzt demnach § 38 III Nr 1 in zeitlicher Hinsicht als frühest möglichen Zeitpunkt für eine Prorogation den Zeitpunkt an, in dem das Rechtsverhältnis, über das gestritten wird, schon besteht, so wird der spätest mögliche Zeitpunkt durch § 261 III Nr 2 bestimmt, wonach nach Klageerhebung vor dem zuständigen Gericht die einmal begründete Zuständigkeit der Parteidisposition kraft Gesetzes entzogen ist (Rz 3; Keller Jura 08, 523, 525).

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