Rn 2
Ist das Ausbleiben rechtzeitig und genügend entschuldigt, so scheiden Zwangsmittel von vornherein aus. Nach dem Wortlaut meint die Vorschrift also den Fall, dass sich der Zeuge, schon bevor die Entscheidung über die Zwangsmittel aktuell wird, an das Gericht gewendet hat (Musielak/Huber § 381 Rz 2).
1. Rechtzeitige Entschuldigung.
Rn 3
Die Entschuldigung ist rechtzeitig, wenn auf das zu erwartende Ausbleiben des Zeugen noch sachgerecht reagiert werden kann. In der Regel wird das Gericht den Termin absetzen und – um Kosten, va bei allen anderen Beteiligten zu sparen – die übrigen Verfahrensbeteiligten hiervon verständigen. Nur wenn hierfür im üblichen Geschäftsbetrieb noch genügend Zeit bleibt, wird von Rechtzeitigkeit auszugehen sein (Musielak/Huber § 381 Rz 4). Zu Eilmaßnahmen – um verspätete Entschuldigungen aufzufangen – ist das Gericht nicht verpflichtet.
2. Genügende Entschuldigung.
Rn 4
Von einer genügenden Entschuldigung ist auszugehen, wenn bei objektiver Betrachtungsweise ein hinreichend schwerwiegender Grund durch den Zeugen vorgetragen wird, der sein Fernbleiben als nicht pflichtwidrig erscheinen lässt (BFH 16.12.05, VIII B 204/05, Rz 11; BFH/NV 07, 468 [BFH 08.11.2006 - VI B 62/06]), oder wenn – umgekehrt formuliert – der vorgetragene Grund so schwer wiegt, dass dem Zeugen bei Würdigung aller Umstände ein Erscheinen nicht zugemutet werden kann (LSG Stuttgart 7.2.07 – L 13 R 293/07 B, Rz 6). Maßgeblich ist bei der Abwägung stets ein etwaiges eigenes Verschulden des Zeugen; die Anwendung des § 85 II oder die Zurechnung des Verschuldens Dritter kommt nicht in Betracht (BGH NJW-RR 11, 1363 [BGH 22.06.2011 - I ZB 77/10], Rz 20; aA BayLSG 3.2.11 – L 2 R 859/10 B, Rz 9; s aber zum Organisationsverschulden unten Rn 8).
a)
Rn 5
Der Standardfall der – freilich erst nachträglich möglichen – ausreichenden Entschuldigung ist derjenige der ganz fehlenden oder der zu spät beim Zeugen eingegangenen Ladung (s.a. § 377 Rn 6). Wird die Ladung – wie üblich – nicht zugestellt, sondern nur formlos, also durch einfachen Brief übersandt, so hat das Gericht die üblichen Postlaufzeiten zu schätzen und hierbei entsprechend § 357 II 2 von zwei Tagen Zustelldauer auszugehen. Ausgehend hiervon hat das Gericht zu beurteilen, ob die Ladung bei dem Zeugen so rechtzeitig eingegangen ist, dass ihm das pünktliche Erscheinen vor Gericht auch zugemutet werden konnte (Musielak/Huber § 381 Rz 5; s.o. § 377 Rn 6), was letztlich der Beurteilung im Einzelfall obliegt. Bestreitet der Zeuge freilich gänzlich, dass ihm die Ladung zugegangen sei, wird ihm dies nicht zu widerlegen sein (Musielak/Huber § 381 Rz 5). Zwangsmaßnahmen können daher in der Praxis nur bei förmlicher Zustellung der Ladung verhängt werden. Ist allerdings eine förmliche Ladung erfolgt, hat der Zeuge den Gegenbeweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen zu führen (BFH 16.12.10 – IX B 146/10, Rz 5); dies setzt freilich eine ordnungsgemäße Zustellung (§§ 176 ff ZPO) voraus (s zu einer unwirksamen Ersatzzustellung an einen Angestellten in den Räumen seines Arbeitgebers LSG Sachsen-Anhalt 26.2.13 – L 7 SB 49/10 B).
b)
Rn 6
Andere Gründe entschuldigen den Zeugen dann, wenn ihm angesichts der Umstände eine Teilnahme am Termin nicht zugemutet werden konnte, zB wegen einer Erkrankung (LSG München 15.4.09 – L 2 B 400/08 AS, Rz 13), die auch durch eine kurzfristige medikamentöse Einstellung nicht soweit gelindert werden kann, dass der Zeuge vor Gericht erscheinen könnte (Zö/Greger § 381 Rz 3). Arbeitsunfähigkeit ist dabei nicht gleichbedeutend mit der für eine Entschuldigung erforderlichen Reise- und Verhandlungsunfähigkeit (LSG München 24.2.10 – L 2 KR 372/09 B Rz 11); die Vorlage einer bloßen privatärztlichen AU-Bescheinigung stellt daher keine genügende Entschuldigung dar (BFH 10.5.12 – III B 223/11, Rz 9; SaarbrOLGR Saarbr 2007, 464, Rz 15; aA BayVGH 20.3.18 – 5 C 17.2208 Rz 13). Bescheinigt dagegen ein Arzt dem Zeugen Verhandlungs- und Reiseunfähigkeit, so soll dies als Entschuldigung ausreichen (Frankf 11.5.16 – 8 W 69/15, Rz 16).
c)
Rn 7
Private oder berufliche und geschäftliche Interessen müssen von erheblichem Gewicht sein, um der Zeugenpflicht vorgehen zu können. Dass der Zeuge an seiner Berufsausübung gehindert ist, solange er sich bei Gericht aufzuhalten hat, ist Schicksal eines jeden Zeugen und stellt auch bei Freiberuflern oder Selbstständigen keine ungewöhnliche Belastung dar, die von der Zeugenpflicht dispensieren könnte (LAG Köln NZA-RR 08, 491, Rz 22). Im Normalfall hat jedenfalls auch ein Geschäftsmann seine Terminplanung auf die des Gerichts abzustimmen (Hess LAG 15.2.08 – 4 Ta 39/08, Rz 28). Finanzielle Nachteile, etwa durch die erzwungene ganztägige Schließung des eigenen Geschäftslokals, entschuldigen den Zeugen nicht (LSG Brandenburg 6.8.12 – L 22 R 449/12 B, Rz 19). Die bloße Arbeitsüberlastung, etwa in einer ärztlichen Praxis, rechtfertigt für sich allein das Fernbleiben gleichfalls nicht (LSG München 14.2.12 – L 2 SF 295/11 B, Rz 14).
d)
Rn 8
Ein bloßes Vergessen des Termins stellt nur ausnahmsweis...