Rn 6

Die Norm setzt nicht voraus, dass bei einer wahren Aussage tatsächlich die Gefahr der Strafverfolgung besteht (Musielak/Huber § 384 Rz 2; BGHZ 43, 368, 374; München NJW 11, 80, 81); die Frage nach der Beteiligung an einer Straftat muss der Zeuge also auch dann nicht beantworten, wenn er an der Straftat gerade nicht beteiligt ist (Zö/Greger § 384 Rz 2). Die Gefahr der Strafverfolgung ist andererseits auch dann zu bejahen, wenn die Aussage nur zu einer Beweiserleichterung zum Nachteil des Zeugen in einem bereits anhängigen Strafverfahren führen würde (Saarbr 22.4.2014 – 4 W 3/14 Rz 102) oder wenn die Aussage als ›Teilstück eines mosaikartigen Beweisgebäudes‹ zur Belastung des Zeugen beitragen könnte (Celle NZG 16, 699 [OLG Celle 11.01.2016 - 13 W 58/15], Rz 17). Nicht von § 384 erfasst ist selbstverständlich dasjenige Aussagedelikt (§§ 153 ff StGB), das der Zeuge gerade mit der gegenständlichen Aussage, die er verweigern will, begehen würde (Musielak/Huber § 384 Rz 4); der Zeuge hat wahrheitsgemäß auszusagen, und unter dieser Prämisse droht ihm für seine Aussage kein Strafverfahren. Der Zeuge soll sich nur vor einer Strafverfolgung wegen einer vor der Aussage, nicht wegen einer anlässlich der Aussage begangenen Straftat schützen können. Anders dagegen in der 2. Instanz: Soll der Zeuge in der Berufungsinstanz seine – falsche – erstinstanzliche Aussage wiederholen, liegt bei ihm die nämliche seelische Zwangslage wie bei einem gänzlich vor dem einschlägigen Verfahren straffällig gewordenen Zeugen vor. Ihm steht daher das Zeugnisverweigerungsrecht zu (BGH NJW 08, 2038, 2039 [BGH 08.04.2008 - VIII ZB 20/06]). Verjähren die in Frage stehenden Straftatbestände, so entfällt auch das Zeugnisverweigerungsrecht (Ddorf 13.3.2014 – I-14 W 18/14, Rz 19). § 384 greift nach seinem Wortlaut schon dann ein, wenn dem Zeugen nur ein Bußgeldverfahren nach dem OWiG droht. Hieraus wird zu folgern sein, dass ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht über den Gesetzeswortlaut hinaus erst recht dann zusteht, wenn er – bei wahrheitsgemäßer Aussage – ehrengerichtliche oder dienststrafrechtliche Maßnahmen zu befürchten hat, weil diese idR wesentlich schwerer wiegen als nach dem OWiG zu verhängende Geldbußen (Musielak/Huber § 384 Rz 4; Zö/Greger § 384 Rz 6). Über den Prozess reicht das Zeugnisverweigerungsrecht nicht hinaus: der Arbeitnehmer kann die außergerichtliche Auskunft über Fragen des Arbeitsverhältnisses ggü dem Arbeitgeber nicht mit der Begründung verweigern, er setze sich damit der Gefahr der Strafverfolgung aus (Gehlhaar/Möller NZA 11, 385, 388).

Dieser Inhalt ist unter anderem im HSO FV Sachsen online Kompaktversion enthalten. Sie wollen mehr?