Gesetzestext
1Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. 2Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.
A. Normgegenstand.
Rn 1
Nach § 39 S 1 kann ein unzuständiges Gericht auch durch rügelose Einlassung zur Hauptsache zuständig werden, in Verfahren vor den Amtsgerichten allerdings nur nach entspr Belehrung (§ 39 S 2). Die Regelung des § 39 S 1 beruht – so die Formulierung des BGH – auf der Erwägung, dass es nicht hinnehmbar wäre, wenn sich ein Bekl in (vom Gesetzgeber unterstellter) Kenntnis der Unzuständigkeit auf eine Verhandlung vor dem an sich unzuständigen Gericht einlassen und nach seinem Belieben in einem späteren Stadium des Prozesses noch die Rüge der Unzuständigkeit erheben könnte (BGH NJW 79, 1104 [BGH 26.01.1979 - V ZR 75/76] mit Verweis auf BTDrs 7/268 zu Art 1 Nr 3; NJW-RR 13, 764 [BGH 19.02.2013 - X ARZ 507/12]). Damit bezweckt § 39 S 1 neben der
Waffengleichheit auch die Verfahrensbeschleunigung iSd Prozessökonomie (vgl Musielak/Heinrich Rz 1; MüKoZPO/Patzina Rz 1). Durch § 39 S 2 wird die Belehrungspflicht nach § 504 abgesichert. Die Belehrung ist zwingend (BGH FamRZ 17, 1699). Sie dient dazu, den Bekl – auch den anwaltlich vertretenen (BayObLG NJW 03, 366; Celle 5.12.06, 4 AR 83/06; Zö/Schultzky Rz 10; § 504 Rn 2) – davor zu schützen, dass er in Unkenntnis der Unzuständigkeit des Gerichts oder der Folgen einer rügelosen Einlassung die Rechte einbüßt, die aus der Unzuständigkeit erwachsen; sie soll ihm aber auch die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglichen, ob er die Unzuständigkeit rügen will oder nicht. Damit wird auch dem Kl Rechnung getragen, der ein Interesse daran hat, dass der Bekl zur Entscheidung darüber veranlasst wird, ob er die Unzuständigkeit rügt oder die Zuständigkeit des Gerichts durch rügelose Einlassung begründet (BayObLG NJW 03, 366 [BayObLG 14.10.2002 - 1 Z AR 140/02]; MüKoZPO/Deubner § 504 Rz 1 ff).
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Nach allgM kann § 39 S 1 gleichermaßen die örtliche und sachliche Zuständigkeit eines Gerichts begründen (s nur KG VersR 88, 909 [KG Berlin 02.05.1988 - 12 U 4858/87]; Hamm NJW 88, 653 [OLG Hamm 25.03.1987 - 20 U 171/86]; Musielak/Heinrich Rz 2; Zö/Schultzky Rz 2), nicht aber die Zulässigkeit des Rechtswegs (Ddorf DAR 14, 322; Musielak/Heinrich Rz 2; Zö/Schultzky Rz 2; vgl auch BGH NJW 97, 328). Zur internationalen Zuständigkeit s Rn 12. Zu den Grenzen Rn 7 f. Im Verfahren zur Aufhebung eines Schiedsspruchs (§§ 1059, 1062 I Nr 4) kann sich die örtliche Zuständigkeit des OLG ebenfalls aufgrund rügeloser Einlassung iSd § 39 S 1 ergeben (Stuttg NJW-RR 03, 495 [OLG Stuttgart 16.07.2002 - 1 Sch 8/02]; Zö/Schultzky Rz 3; Musielak/Heinrich Rz 2). Dasselbe dürfte bei allen Anträgen nach § 1062 gelten. Allerdings setzt dies eine mündliche Verhandlung voraus (vgl München SchiedsVZ 08, 307, 308 [OLG München 17.10.2008 - 34 SchH 11/08]; s dazu näher Rn 5). Im schiedsrichterlichen Verfahren selbst ist § 39 S 1 dagegen nicht ohne Weiteres anwendbar (vgl Musielak/Heinrich Rz 2; Wackenhuth KTS 85, 425, 429; vgl auch § 1027). Der Anwendungsbereich des § 39 ist, wie bereits der Wortlaut zeigt, auf die 1. Instanz beschränkt (BGH NJW 87, 3081 [BGH 13.07.1987 - II ZR 188/86]). Zur rügelosen Einlassung in der Berufungsinstanz s § 295 und § 525 Rn 5. Die Vorschrift steht in einem Spannungsverhältnis zu § 282 III, wonach Rügen, welche die Zulässigkeit der Klage betreffen, bis zum Beginn der Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen sind. § 39 S 1 stellt demgegenüber auf die mündliche Verhandlung selbst ab (Rn 5). Nach richtiger Auffassung muss § 39 deshalb Vorrang vor § 282 III haben mit der Folge, dass eine Präklusion nach § 282 III iVm § 296 III nicht stattfindet (Frankf OLGZ 83, 99, 101; Oldbg NJW-RR 99, 865, 866 [OLG Oldenburg 26.03.1998 - 8 U 215/97]; Saarbr NJW 05, 906, 907; Zö/Schultzky Rz 5; Musielak/Heinrich Rz 3; ThoPu/Seiler § 296 Rz 41; ebenso BGHZ 134, 127, 134 f; BGH MDR 14, 674, 675 für die internationale Zuständigkeit; vgl auch BGHZ 147, 394, 397).
I. Unzuständigkeit des Gerichts.
Rn 3
§ 39 S 1 setzt zunächst voraus, dass eine Unzuständigkeit des Gerichts (Rn 2) gegeben ist. Wo eine Zuständigkeit bereits aufgrund anderer Zuständigkeitsnormen begründet ist, scheidet § 39 S 1 in jedem Fall aus. Dem hat die Prüfung durch das Gericht Rechnung zu tragen.
II. Rügelose Verhandlung zur Hauptsache.
1. Rügeverzicht.
Rn 4
Die zuständigkeitsbegründende Wirkung nach § 39 S 1 ist zunächst daran gebunden, dass der Bekl auf die Zuständigkeitsrüge verzichtet. Entscheidend ist der tatsächliche Rügeverzicht, so dass Ankündigungen, auf die Zuständigkeitsrüge verzichten zu wollen, nicht die Rechtsfolge des § 39 S 1 begründen (vgl BGH NJW-RR 13, 764 [BGH 19.02.2013 - X ARZ 507/12]). Zur Zuständigkeitsrüge und den Rügeverzicht eingehend § 12 Rn 10 – diese Ausführungen gelten für die sachliche Zuständigkeit entsprechend. Zur treuwidrigen Einlassung s Rn 11.
2. Mündliches Verhandeln zur Hauptsache.
Rn 5
§ 39 S 1 setzt grds eine mündliche Verhandlung voraus (Saarbr OLGR 02, 331 f; Zö/Schultzky Rz 8; Musiela...