Gesetzestext

 

(1) Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten.

(2) Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten und hat ihren Anwälten auf Verlangen zu gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten.

(3) Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht.

A. Zweck der Norm; Anwendungsbereich.

 

Rn 1

§ 397 ergänzt § 357: die Parteien (und ihre Streithelfer) dürfen bei der Beweisaufnahme nicht nur anwesend sein, sondern auch (ergänzend) Fragen stellen (Zö/Greger § 397 Rz 1). § 397 gilt nicht nur für die Vernehmung von Zeugen, sondern auch von Sachverständigen (§ 402; s.u. Rn 5), bei der Vernehmung von Parteien (§ 451), sowie insgesamt im selbstständigen Beweisverfahren (§ 492 I).

B. Fragerecht.

 

Rn 2

Das Fragerecht steht unmittelbar nur dem Anwalt der Partei zu (§ 397 II Alt 2), während die Partei selbst ihre Fragen nur durch Vermittlung des Gerichts dem Zeugen ›vorlegen‹ lassen kann (§ 397 I). In der Praxis wird das Gericht aber auch der nicht vertretenen Partei oder – nach Durchführung der Zeugenbefragung durch ihren Anwalt – auch der vertretenen Partei das Recht einräumen, unmittelbar Fragen an den Zeugen zu stellen (§ 397 II Alt 1). Einem – bewussten oder unbewussten – Missbrauch des Fragerechts kann im Alltag durch Prüfung der Fragen auf ihre Zulässigkeit (§ 397 III) ausreichend entgegengesteuert werden. Üblich – wenngleich nicht zwingend – ist es, zuerst den Beweisführer, erst danach dessen Gegner das Fragerecht ausüben zu lassen (Musielak/Huber § 397 Rz 1). Der Urkundenbeweis ersetzt den Zeugenbeweis nicht. Ist also statt der Zeugenaussage von einer Beweisperson eine schriftliche Stellungnahme eingereicht worden oder (in der Praxis weitaus häufiger) hat der SV ein schriftliches Gutachten erstattet, so hindert dies das Recht der Partei nicht, dem Zeugen oder SV im Termin mündlich Fragen zu stellen (BGH NJW 97, 802 [BGH 17.12.1996 - VI ZR 50/96]; 92, 1684, 1686 [BGH 17.03.1992 - VI ZR 62/91]; s.o. § 373 Rn 20).

C. Unzulässige Fragen.

I. Verfahren.

 

Rn 3

Unzulässige Fragen sind zunächst vom Vorsitzenden zurückzuweisen (Musielak/Huber § 397 Rz 2), dh sie sind nicht zuzulassen bzw dem Zeugen ist ihre Beantwortung zu verwehren. Beanstandet die Partei diese Zurückweisung, so hat hierüber gem § 397 III das (gesamte) Prozessgericht zu entscheiden. Diese Entscheidung ist zwar ihrerseits gem § 355 II unanfechtbar, zur Überprüfung des Urteils empfiehlt es sich aber, die als unzulässig zurückgewiesene Frage wörtlich zu protokollieren (Zö/Greger § 397 Rz 5 aE). Der beauftragte oder ersuchte Richter entscheidet iRd bei ihm stattfindenden Beweisaufnahme selbst über die Zulässigkeit von Fragen, § 400; zu beachten ist hierbei allerdings die Möglichkeit der nachträglichen Vernehmung gem § 398 II.

II. Inhaltliche Prüfung.

 

Rn 4

In inhaltlicher Hinsicht sind solche Fragen zurückzuweisen, die sich außerhalb des gem § 377 II 2 zu definierenden Gegenstandes der Vernehmung bewegen, die sich als reine Ausforschungsfragen darstellen (§ 373 Rn 4), die den Zeugen zu einer Verletzung der ihm obliegenden Verschwiegenheitspflicht zu verleiten geeignet sind (§§ 376, 383 III), die den Zeugen nicht nach seinen Wahrnehmungen (§ 373 Rn 10) befragen, sondern von ihm Werturteile abfragen wollen (Zö/Greger § 397 Rz 4), sowie Suggestivfragen, die die Antwort bereits beinhalten (Musielak/Huber § 397 Rz 2) oder die nur mit ›ja‹ oder ›nein‹ beantwortet werden können.

D. Befragung von Sachverständigen.

 

Rn 5

§§ 397, 402 gewährleisten den Anspruch der Parteien aus Art. 103 I GG auf rechtliches Gehör und geben ihnen – auch im selbstständigen Beweisverfahren (BGH BauR 2010, 932, Rz 9) – das Recht, dem Sachverständigen (auch wenn er ein schriftliches Gutachten erstattet hat), – auch mündlich – Fragen zu stellen, und somit auch das Recht, das Erscheinen des Sachverständigen vor Gericht zu erzwingen (BVerfG NJW-RR 13, 626, Rz 20; FamRZ 15, 2042, Rz 17; NZS 18, 859 Rz 3). Für die Frage, ob also die Ladung des Sachverständigen zur Erörterung seines schriftlichen Gutachtens geboten ist, kommt es nicht auf die Auffassung des Gerichts an, ob noch Erörterungsbedarf besteht (BGH MDR 17, 785 Rz 3; DWW 17, 230 Rz 6), oder ob ein derartiger Bedarf von der antragstellenden Partei auch nur ansatzweise dargestellt worden ist. Dies entscheidet vielmehr die Partei allein. Dieses Recht der Partei besteht auch unabhängig von § 411 III (BGH MDR 17, 1320 Rz 6). Erforderlich ist nur, dass die Partei angibt, in welcher Richtung sie eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht; die Formulierung konkreter Fragen im Voraus darf der Partei nicht abverlangt werden (stRspr, s BGH NJW-RR 15, 510 [BGH 19.11.2014 - IV ZR 47/14], Rz 8). Das Fragerecht besteht auch dann, wenn es nach Erstattung eines schriftlichen Gutachtens in der 1. Instanz erstmals in der 2. Instanz ausgeübt wird (BGH MDR 09, 1184, Rz 6), und erst recht, wenn in 1. und 2. Instanz zwei Sachverständige einander widersprechende Gutachten erstatten (BGH MDR 11, 317 = NJW-RR 11, 704 [BGH 07.12.2010 - VIII ZR 96/10], Rz 8). Ist allerdings der Sachve...

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