Prof. Dr. Christian Katzenmeier
Rn 9
Unabdingbar notwendige und wenig beeinträchtigende Vorbereitungsmaßnahmen wie die Durchführung eines Ortstermins (ThoPu/Reichold § 404a Rz 5) sollen auch ohne ausdrückliche Anordnung stillschweigend übertragen sein, wenn sie von der Fachkompetenz umfasst sind (Zö/Greger § 404a Rz 8). Das Gericht darf aber nicht umgangen werden, es hat jederzeit die Möglichkeit, ein förmliches Verfahren nachzuholen (vgl BGH NJW 97, 3096 [BGH 10.07.1997 - III ZR 69/96]). Bei Weigerungen des SV erlangt die in Rspr und Schrifttum umstr Frage Bedeutung ob das Gericht befugt ist, einem SV gem Abs 4 S 1 die Weisung zu erteilen, gerade auch substanzverletzende Eingriffe in den zu begutachtenden Gegenstand oder diesen umgebende Sachen, zB (vorbereitende) Bau(teil)öffnungen (ausf Motzke BauR 13, 304; Praun BauR 13, 1938; Kern BauR 14, 603; Bruns BauR 15, 183; Seggewiße/Weber MDR 17, 679), vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen (offengelassen etwa von BGH MDR 20, 1391 [BGH 23.09.2020 - IV ZR 88/19], soweit bei Ablehnung der Erteilung einer solchen Weisung Ermessen fehlerfrei ausgeübt). Dagegen wird insb vorgebracht, Vor- und Hilfsarbeiten seien Sache der Parteien (Beibringungsgrundsatz, vgl Ulrich SV Rz 225; R/S/G § 122 Rz 34; Schlesw NJW 18, 1174 f m Anm Walter), zudem die Stellung des SV als Helfer des Gerichts (Soergel FS Geiß 00, 179, 184), das Schadensersatzrisiko des SV, ein unzulässiger Kontrahierungszwang (vgl Bambg BauR 02, 829; Rostock BauR 03, 757), schließlich der Wortlaut des Gesetzes, denn wenn dem Beweisführer eine Durchführung möglich ist, sei die Vornahme durch den SV nicht ›erforderlich‹ iSd Abs 4 (s.a. Hamm IBR 07, 160 [OLG Hamm 18.10.2005 - 26 U 16/04]; Dötsch NZBau 08, 217). Nach anderer, eher pragmatischer Auffassung soll es gerade Aufgabe des SV sein, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erledigung des Gutachtenauftrags zu schaffen. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Verfügungsberechtigte zugestimmt hat (Celle MDR 17, 422; Jena DS 08, 29; Celle BauR 05, 1358; Frankf NJW 98, 2834; Ddorf NJW-RR 97, 1360; St/J/Berger § 404a Rz 14; einschr Brandbg BauR 96, 432: auch bei gerichtlicher Anweisung keine Pflicht zur persönlichen Vornahme; ähnl Liebheit BauR 08, 1790; zur Haftung des SV ders BauR 08, 1510). Es muss insoweit differenziert werden: Eingriffe, die eine besondere Sachkunde voraussetzen und im unmittelbaren Zusammenhang mit der Begutachtung stehen, sind Aufgabe des SV; ebenso Eingriffe, bei deren Vornahme Beeinträchtigungen der Begutachtungsmöglichkeit nicht ausgeschlossen sind; etwa körperliche Untersuchungen (s Rn 8 aE, 11), Blutabnahme für ein medizinisches Gutachten, die Entnahme von Proben aus einem Gegenstand, nach den Umständen häufig auch andere Bau(teil)öffnungen, Aufbau einer Arbeitsbühne zum Erreichen der zu begutachtenden Stelle (Frankf NJW 98, 2834 [OLG Frankfurt am Main 26.02.1998 - 18 U 50/95]). Im Übrigen aber sind Vorarbeiten grds Sache des Beweisführers (bzw des Gerichts, § 144; vgl Zö/Greger § 404a Rz 8; ders FS Leipold 09, 47, 49: Aufgabe des SV nur, soweit besondere Sachkunde erforderlich). Der SV ist insoweit ggf verpflichtet, entspr Anweisungen zu erteilen (vgl Brandbg BauR 96, 432). Die Einwilligung des Verfügungsberechtigten ist erforderlich. Verweigert eine Partei eine zumutbare Maßnahme, so ist nach den Regeln über die Beweislast und die Beweisvereitelung (s § 286 Rn 57–85, 99–104), ggf § 296 zu entscheiden. Das Gericht kann ggf entspr § 144 I 2, 3 einer Partei oder Dritten Vorlegung und Duldung aufgeben; zur Sicherheitsleistung analog § 811 II BGB s Dötsch NZBau 08, 217, 219 f, 221 f; zur Erstattung gem § 91 Frankf 14.8.08 – 18 W 149/07, nv; s zu den Kosten auch Greger FS Leipold 09, 47, 49 ff; beachte § 407a IV.