Prof. Dr. Christian Katzenmeier
Rn 8
Eine Ablehnung lässt sich auf die Ausschließungsgründe des § 41 (mit Ausnahme der Nr 5, s.u.) und auf die Besorgnis der Befangenheit stützen, § 42 II. Einen Ausschluss kraft Gesetzes gibt es nicht (auch nicht nach einem Beitritt des SV nach Streitverkündung, BGH NJW-RR 06, 1221 [BGH 12.01.2006 - VII ZR 207/04], die ohnehin nach der klarstellenden Gesetzesänderung unzulässig ist, § 72 II; s schon BGH NJW 06, 3214 [BGH 27.07.2006 - VII ZB 16/06]; 07, 919; zur Ablehnung wegen erfolgten Streitbeitritts s Rn 24).
a) Ausschließungsgründe (§§ 406 I 1, 41).
Rn 9
Absolute Ablehnungsgründe ergeben sich aus einem besonderen Bezug des SV zur Sache, insb einer persönlichen Beziehung zu einer Partei (Rn 11–15). Gemäß § 406 I 2 rechtfertigt eine frühere Vernehmung als Zeuge (Vorinstanz, früheres Verfahren) abw von § 41 Nr 5 die Ablehnung nicht. IdR gibt eine frühere Beteiligung als SV ebenso wenig Anlass zu Zweifeln an dessen Unparteilichkeit (Gutachtenerstattung ist nicht Beteiligung am Erlass der Entscheidung iSv § 41 Nr 6, vgl BGH MDR 61, 397; München VersR 94, 704; für das frühere Strafverfahren Köln MDR 90, 1121, 1122; das parallele Strafverfahren BGH MDR 64, 63; Verfahren im einstw Rechtsschutz Nürnbg NJW 78, 954 [OLG Nürnberg 14.12.1977 - 3 W 112/77]; Tätigkeit in unterschiedlichen Stufen eines Verwaltungsverfahrens BVerwG NuR 07, 754 [BVerwG 18.06.2007 - BVerwG 9 VR 13.06]). Ein SV kann jedoch in entspr Anwendung von § 41 Nr 8 abgelehnt werden, wenn er in derselben Sache in einem Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, etwa vor der Gutachterkommission und Schlichtungsstelle einer Landesärztekammer, als SV mitgewirkt hat (BGHZ 213, 131 = NJW 17, 1247 m Anm Gössl; hingegen keine Befangenheit iSv § 42, vgl Braunschw MedR 90, 356; Frankf GesR 10, 545 [BGH 06.07.2010 - VI ZR 177/09]).
b) Besorgnis der Befangenheit (§§ 406 I 1, 42).
aa) Maßstab.
Rn 10
Wie bei der Ablehnung eines Richters kommt es nicht darauf an, dass der SV tatsächlich befangen ist. Vielmehr ist entscheidend, dass aus Sicht des Ablehnenden bei objektiver Wertung ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des SV zu rechtfertigen (stRspr BGH NJW 05, 1869, 1870 [BGH 15.03.2005 - VI ZB 74/04]; sog parteiobjektiver Maßstab), wobei eine unbewusste Voreingenommenheit ausreicht. Weil für diese Beurteilung die Umstände des Einzelfalles den Ausschlag geben, lassen sich allg Grundsätze kaum ableiten, sondern einzig (nicht abschließende und ineinander übergehende) Fallgruppen ausmachen (s dazu Rn 11–17). Bei mehreren Rügen ist eine Gesamtschau erforderlich (Kobl MDR 08, 1298; Saarbr OLGR 08, 527; Köln OLGR 04, 290; Jena BauR 04, 1815).
bb) Fallgruppen.
(1) Beziehungen zu einer Partei, Eigeninteresse.
Rn 11
Zweifel an der Unparteilichkeit können sich aufgrund persönlicher Kontakte (Freund- oder Bekanntschaft, Feindschaft; s Rn 12) oder wirtschaftlicher Kontakte (Verbundenheit, Konkurrenz; s Rn 13) des SV zu einer Prozesspartei sowie bei einer früheren Begutachtung für eine Partei (Rn 14) oder unmittelbarem Eigeninteresse des SV (Rn 15) ergeben. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls (Saarbr MDR 08, 226), es kommt insb auf die Intensität des konkreten Verhältnisses an (iE Rn 12–15). Auch bei einer wenig ausgeprägten Beziehung kann Voreingenommenheit zu besorgen sein, wenn der SV diese verschweigt (Jena MDR 10, 170) oder ›scheibchenweise‹ erst auf Nachfrage offenlegt (vgl Celle MedR 16, 628; 07, 229; Karlsr BauR 87, 599). Die Beziehung kann dabei zur Partei selbst oder mittelbar über im Lager stehende Personen bestehen (auch zum Prozessbevollmächtigten BGH NJW-RR 87, 893; Hamm MedR 10, 640, 641 [OLG Hamm 20.01.2010 - 1 W 85/09]; zum Sohn Frankf OLGR 08, 784). UU kann sich die Besorgnis der Befangenheit auch aus einem Kontakt zu nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten ergeben (Ddorf NJW-RR 97, 1428 [OLG Düsseldorf 08.07.1997 - 22 W 29/97]: Privatgutachten für andere Erwerber desselben Haustyps im selben Baugebiet; Frankf NJW 83, 581: mehrere Erwerber von Eigentumswohnungen), s.a. Rn 16.
Rn 12
Je intensiver das Näheverhältnis zwischen einer Prozesspartei und dem SV erscheint, desto eher ist dessen Befangenheit zu besorgen. Noch keine Zweifel an der Unparteilichkeit sind bei bloßer Bekanntschaft oder rein kollegialer Zusammenarbeit anzumelden (Celle MDR 07, 105: Lehrer-Schüler-Verhältnis vor 30 Jahren; krit Rumler-Detzel VersR 99, 1209). Auch die gemeinschaftliche Mitwirkung an Studien, Publikationen und Tagungen sowie die Mitgliedschaft in derselben Fachgesellschaft oder Kammer erscheint in Wissenschaft und Praxis selbstverständlich und bewirkt für sich genommen keine Voreingenommenheit (KG NJW 17, 3530, 3533 f; Naumbg MedR 15, 357, 359; Hamm MDR 13, 169, 170 mwN; München MedR 07, 359, 360; ZIP 11, 1983). Treten aber Anhaltspunkte einer engeren beruflichen, akademischen oder privaten Beziehung hinzu, lässt sich die Befangenheit begründen (Jena MDR 10, 170: Lehrer-Schüler-Verhältnis; Schlesw SchlHA 97, 42: Mitgliedschaft im selben Facharbeitskreis, zweifelnd St/J/Berger § 406 Rz 15; Köln VersR 93, 72, 73: Promotionsverhältnis). Entspr gilt bei Feindschaft ode...